Forellenquintett
auf der eine halbnackte Nixe für Ferien in Friedrichshafen warb. Auf dem Plakat war der Bodensee südseeblau mit schneebedeckten Alpengipfeln im Hintergrund.
Der Busfahrer wartete noch zwei, drei Minuten, dann fuhr er los, musste aber an der Einmündung auf die Uferstraße einen Streifenwagen vorbeilassen, der mit Blaulicht und jaulendem Martinshorn Richtung Westen jagte.
P olizeidirektor v. Oerlinghoff saß am Besprechungstisch in seinem Dienstzimmer und las schweigend die Protokolle, die ihm Hauptkommissar Walliser mitgebracht hatte. Walliser war müde, in der letzten Nacht hatte er wieder schlecht geschlafen, und der Tag hatte wenig gebracht, was ihn hätte aufmuntern können. Und das war noch sehr vorsichtig ausgedrückt. Der Polizeidirektor hingegen, straff, frisch rasiert, sah in seiner Uniform aus wie aus dem Ei gepellt.
»Ich mag das hier nicht zu Ende lesen«, sagte Oerlinghoff. »Wo hat man die beiden Helden denn gefunden?«
»Am Ortsrand von Aeschenhorn«, antwortete Walliser.
»Am Ortsrand!«, wiederholte der Polizeidirektor ärgerlich. »Und warum konnten sie nicht bis ins Dorf gehen?«
»Weil sie mit den Handschellen ans Ortsschild gefesselt waren«, erklärte Walliser. »Oder genauer an den Rahmen aus Stahlrohr, in den das Ortsschild eingepasst ist, verstehen Sie? Zum Glück kamen Schulkinder vorbei.«
»Schulkinder«, sagte Oerlinghoff. »Wie nett. Und was haben die damit zu tun?«
»Eines von ihnen hat ein Handy gehabt und es hochgehalten, damit der Kollege Kubitschek Meldung machen konnte.«
»Fein«, meinte der Polizeidirektor. »Muss ich dem Schulkind jetzt einen anerkennenden Brief schreiben? Oder es in die Direktion einladen?«
»Ich verstehe nicht ganz...«, meinte Walliser unsicher.
»Schon gut«, sagte Oerlinghoff und las weiter. »Zu dieser Hundegeschichte: Wo ist eigentlich der Kadaver abgeblieben?«
»Weiter unten müssten Sie einen Vermerk finden«, sagte Walliser zögernd, »dass der in die Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht worden ist... Das ist jetzt aber komisch.«
»Was ist daran komisch?«
»Auf dem Vermerk steht, dass das auf Ihre Anweisung hin geschehen sei...«
»Unsinn«, unterbrach ihn Oerlinghoff, »ich werde so etwas gerade anordnen, nachdem mir die Wegenast erzählt hat, sie hätte auf das Tier geschossen. Angeblich hat sie sogar das ganze Magazin leer geballert.«
»Sicher eine Schutzbehauptung«, meinte Walliser.
»Eben«, bestätigte Oerlinghoff und sah ein weiteres der Protokolle durch, die Walliser mitgebracht hatte. »Deshalb korrigieren Sie bitte die Angabe, dass der Kadaver auf meine Anweisung hin entsorgt worden sei. Als ob ich mich um einen toten Hund zu kümmern hätte, ich bitte Sie!« Er las weiter.
»Was ist mit der Angabe des Kollegen...« - er blätterte das Protokoll um - »... des Kollegen Kubitschek … ach du lieber Gott, schon wieder der! Also was ist mit seiner Angabe, er habe im Foyer des Appartement-Hauses einen Fußabdruck gesehen... Ist dieser Abdruck fotografiert und vermessen worden?«
Walliser hob entschuldigend beide Hände. »Leider nein. Als die Spurensicherung das tun wollte, war der Abdruck bereits verwischt, weil schon zu viele Leute darübergelaufen waren.«
Oerlinghoff hielt den Kopf schief. »Und wer, bitte, ist da alles darübergelaufen?«
»Na ja«, meinte Walliser, »wahrscheinlich die Spurensicherung selber. Das müssen Sie verstehen, Chef, die waren ganz auf das Appartement konzentriert …«
»Haben Sie eine Vorstellung davon«, fragte Oerlinghoff mit leiser Stimme, »was ein fitter Linksanwalt daraus machen wird? Ich halte dafür, dass Sie den Kollegen Kubitschek noch einmal scharf befragen, was er da wirklich gesehen oder zu sehen gemeint hat. Der Kollege hat ja ohnehin einiges zu erklären.« Er warf Walliser einen auffordernden Blick zu. »Vielleicht können Sie da für eine Frontbegradigung sorgen. Schließlich sind Sie es ja, der das alles« - er wies auf die Protokolle, die auf dem Besprechungstisch lagen - »als Zeuge vor Gericht wird vertreten müssen.«
T amar blieb am Treppenaufgang stehen, ihre linke Hand suchte das Geländer und hielt sich daran fest. Aber im Treppenhaus war niemand. Sie nickte Marlen zu, und die Polizistin setzte einen Plastikstreifen an, um den Türriegel zurückzuschieben. Sie musste etwas stochern, dann sprang die Tür auf.
»Komm«, sagte Marlen und sah nach Tamar. »Was ist mit dir?«
Tamar machte einen unsicheren Schritt auf sie zu, Marlen
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