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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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stand eine Putzfrau, eine Türkin oder Kroatin, mit Kopftuch und im grauen Arbeitsmantel, was hatte die ausgerechnet jetzt das Damenscheißhaus sauber zu machen?
    »Hast du den Schlüssel?«, fragte die Putzfrau und war die Marlen.
    »Ach Gott! Wie siehst du denn aus?«, fragte Elke zurück. »Chic. Wo hast du denn die feinen Klamotten aufgetrieben?«
    »Im Kaufhaus. Was ist mit dem Schlüssel?«
    »Ich wusste gar nicht«, fuhr Elke fort, »dass ihr euch kostümieren müsst. Komische Ermittlungen, die du da treibst.« Sie legte ihre Handtasche auf das Waschbecken, öffnete sie und kramte einen Flachmann heraus, zwei Schlucke gehen auch, dachte sie, und steckte schnell den Brief zurück, der am Morgen gekommen war, aber es war schon zu spät.
    »Ach ja«, sagte Marlen, »du hast also auch einen Brief bekommen. Was steht denn bei dir drin?«
    Elke sah hoch und suchte im Spiegel über dem Handwaschbecken ihren Blick. »Woher willst du wissen, was das für ein Brief ist?«
    »Meine Tante hat so was bekommen und nicht nur sie«, antwortete Marlen, und noch während sie das sagte, fiel ihr ein, dass sie nicht das Recht hatte, von Audrey zu erzählen. So griff sie in ihre Brusttasche und holte den Brief heraus, den sie selbst am Morgen aus ihrem Briefkasten gefischt hatte. »Hier. Ich glaube, es ist die gleiche Schrift.«
    »Darf ich es lesen?«
    »Bitte«, sagte Marlen.
    Elke faltete das Blatt auseinander, das Marlen ihr hinhielt. »Es ist wirklich die gleiche Schrift wie bei mir«, sagte sie dann. »Und auch keine Unterschrift. Aber das geht ja wirklich auf dich.« Halblaut las sie vor:
     
    Haltet den Dieb, ruft der Dieb.
    Was hat getan, wer Polizist werden muss?
     
    Sie blickte zu Marlen auf. »Es hängt mit Bastian zusammen, nicht wahr? Kaum ist er zurück...«
    »Wenn er zurück ist«, sagte Marlen grob. »Was steht bei dir drin?«
    Elke nahm ihre Tasche, wandte sich halb ab, suchte und fand einen Schlüssel und hielt ihn Marlen hin. »Nimm schon. Aber du darfst nur in die Wohnungen, die wirklich leerstehen. Wenn du in eine andere gehst, und das kommt raus, komme ich in Teufels Küche.«
    »Und der Brief?«
    »Ist mein Brief«, sagte Elke, stopfte den Flachmann in ihre Handtasche und verschloss die Tasche eilig. »Du musst nicht alles wissen.«
     
     
     
    D ie Besucherin war eine ältere, eine sehr ältere Dame, sie stützte sich auf einen schwarzen Stock mit einem Griff aus Elfenbein und trug einen schwarzen Hosenanzug mit einer hochgeschlossenen Bluse. Walliser bemühte sich eilends aufzustehen und ihr den Besucherstuhl zurechtzurücken. Dabei sah er, wie unter den sorgfältig toupierten fuchsroten Haaren der Besucherin die Schädelhaut durchschimmerte, und roch ein Parfüm, das einen penetranten Veilchenduft ausströmte. Mit angehaltenem Atem kehrte er zu seinem Platz hinter dem Schreibtisch zurück, nicht ohne den halbleeren Porzellanbecher mit sich zu nehmen und ihn auf dem Regal abzustellen. Dann setzte er sich wieder und stellte sich dem zornigen und aufgebrachten Blick der Dame, einer Ellinor Windisch, wie er ihrer auf hellblauem Bütten gedruckten Visitenkarte entnahm.
    »Es ist sehr schwierig«, bemerkte sie missbilligend, »zu Ihnen zu gelangen.«
    »Das tut mir leid zu hören«, antwortete er und fand sich selber sehr höflich. »Sie sind hier im Dezernat für Kapitalverbrechen, und Sie müssen wissen, dass wir gerade einen aktuellen Mordfall haben, und zwar in Aeschenhorn, und dass alle meine Mitarbeiter in die laufende Fahndung eingespannt sind... Aber ich sehe, Sie kommen auch von Aeschenhorn, Sie haben also sicher eine Aussage zu machen?«
    »Kapitalverbrechen, das meine ich doch«, erwiderte die Besucherin und holte aus ihrer Handtasche einen geöffneten Briefumschlag. »Dies ist heute Morgen mit der Post gekommen, und Sie werden sofort sehen, dass es ungeheuerlich ist. Ein Kapitalverbrechen, wie Sie sagen.«
    Ein Brief, dachte Walliser. In diesem Fall bedeutete das: noch ein Brief. Ergeben streckte er die Hand aus und nahm den Umschlag an sich. Die Handschrift auf dem Umschlag hatte er heute schon einmal gesehen. Aber das war jetzt keine Überraschung mehr.
    »Er ist an Carl-Maria Windisch adressiert«, stellte er fragend fest. »Ist das Ihr Mann?«
    »Mein Mann ist Professor«, antwortete Ellinor Windisch würdig. »Damit beginnt es schon. Es müsste an Professor Carl-Maria Windisch adressiert sein. Er steckt mitten in den Vorbereitungen für das Auftaktkonzert des Aeschenhorner Herbstes. Es ist

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