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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Sohle nicht zu spitz zulaufend, Größe 42, schätze ich mal, ich bin ja kein Schuster.«
    »Eh!«, sagte Walliser. »Hier im Haus meint man, dass der Abdruck so wichtig nicht sein kann, weil er ja doch dem Opfer zugeordnet werden muss, dem Kevin Orschach, der war ja über diese Baustelle am Ufer gefahren...«
    Kubitschek beugte sich nach vorn und starrte den Hauptkommissar aus Augen an, in denen unvermittelt - wie von einem Zeitzünder ausgelöst - Zorn aufgeflammt war. »Was redest du da? Den Toten hab doch ich gefunden, und ich sage dir, wenn dieser Mensch eine Schuhgröße kleiner als 45 gehabt hat, dann bin ich Hauptkommissar!«
    Walliser lehnte sich in seinem Schreibtischsessel zurück und erwiderte den Blick. Er sagte nichts. Vor ihm stand immer noch unberührt der Porzellanbecher mit dem Kamillentee. Er betrachtete Kubitschek, der ein großer hagerer Mann mit magerem Gesicht war und den man am Vormittag mit den eigenen Handschellen an das Ortsschild von Aeschenhorn gefesselt hatte, und der dann dort stand, im Regen, zur Unterhaltung der Schulkinder, bis eines von ihnen ihm ein Handy hochgehalten hatte, damit er um Hilfe telefonieren konnte.
    »Dein Tee wird kalt«, sagte Kubitschek. Es klang fast verächtlich, und in seinen Augen war noch immer dieser alttestamentarische Zorn eines komischen, verspotteten Mannes, der nicht mehr jung war.
    »Ja«, antwortete Walliser mechanisch. Er griff zum Hörer und wählte die Nummer der Zentrale.
    »Hör mal«, sagte er, als abgenommen wurde. »Da ist heute ein toter Hund von uns weggebracht worden. Ruf sofort bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt an, dass sie den Kadaver zurückhalten und sicherstellen.«
     
     
     
    V erstohlen sah Elke auf ihre Uhr. Draußen warteten die beiden Hostessen mit dem Sekt, eine davon war eine Rothaarige mit ganz weißer Haut, das hatte was. Ich sollte ein paar Worte mit ihr reden, dachte sie, vielleicht würde sie sich dem Kies-Kilgus unterschieben lassen. Das wäre für sie selbst wesentlich angenehmer und für die Kundenpflege durchaus nicht nachteilig, ganz im Gegenteil, überhaupt sollte sie sich ein verfügbares Angebot aufbauen, diskret und seriös und maßgeschneidert, man müsste eben genau den Geschmack treffen. Beim Kies-Kilgus war das noch einfach, aber was zum Beispiel hätte sie dessen Namensvetter anzubieten? Sie schaute zu ihm hin und bereute es sogleich...
    »Das klingt ja alles sehr schön. Trotzdem...«, sagte der Trachten-Kilgus, und Elke betrachtete sein Gesicht mit den Lippen, die immer ein wenig zu feucht aussahen, und überlegte sich, dass sie hier wohl... Aber wo und wie würde sie die geeigneten Knaben finden?
    »Trotzdem weiß ich noch immer nicht«, fuhr der Trachten-Kilgus fort, »wie unser Projekt in der Öffentlichkeit ankommt. Dass mein Nachbar, der Herr Jehle, seinen Widerstand einstellt, das mag so sein oder auch nicht. Aber es gibt böse Stimmen hier im Ort...«
    »Was für Stimmen?«, unterbrach ihn Bürgermeister Innertshofer. »Wem gehören die?«
    »Das ist das Wesen von solchen Dingen, dass man nicht weiß, woher das kommt«, antwortete der Trachten-Kilgus mit gekränkter Stimme. »Jedenfalls ist Böses im Gange, die Stimmung ist nicht für das Projekt, auch wenn die Leute das nicht laut sagen. Und, wenn ich das hinzufügen darf, von Seiten der Gemeinde ist das Vorhaben ja auch nicht vorbehaltlos und offensiv unterstützt worden...«
    »Hört, hört!«, rief der Kies-Kilgus, und man sah, wie sich seine unter einer Speckschicht verborgenen Äuglein auf den Bürgermeister richteten.
    »Was unterstellen Sie mir da?«, fragte der Bürgermeister und vergaß, dass er mit dem Trachten-Kilgus eigentlich auf »Du« stand. »Wieso geht das jetzt plötzlich gegen mich …« Er unterbrach sich und sah hoch. Auf leisen Sohlen war seine Sekretärin hereingekommen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Oh!«, sagte er dann und erhob sich hastig. »Sie müssen mich entschuldigen, meine Dame, meine Herren - aber der Herr Landrat bittet dringend um meinen Rückruf!«
    Er verschwand, und auch die in der Runde versammelten Geschäftsleute standen auf und gruppierten sich wie zufällig und begannen miteinander zu tuscheln. Elke überlegte, ob sie sich einen kurzen Schluck würde genehmigen können, einer ging eigentlich immer, und so verließ sie den Sitzungssaal und ging auf die Damentoilette, doch als sie die Toilettentür hinter sich zuziehen wollte, gab es einen Widerstand. Sie drehte sich ärgerlich um, hinter ihr

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