Forellenquintett
Wenn Sie versuchen, die Wegenast in irgendeiner Weise zu begünstigen, wird das schwerwiegende Konsequenzen für Sie haben...«
Walliser legte auf. Irgendwas roch merkwürdig. Aber als Nächstes müsste er eine Aktennotiz schreiben. Oder den Ulmer Polizeirat Englin anrufen. Nein, das ging nur über Oerlinghoff. Aber den wollte er nicht anrufen. Warum nicht? Weil es seine Ermittlungen waren. Weil er sich von Oerlinghoff nicht vorführen lassen wollte. Weil er mit diesem jungen Schnösel selber fertig werden musste. Weil er in drei Wochen sowieso …
Alles falsch. Das Problem war, dass der Schnösel am Ende womöglich Recht hatte. Außerdem war die Wegenast gegen halb zwei Uhr nachts im Krankenhaus verarztet worden und trug danach den rechten Arm in der Schlinge. Falls Orschach zu ungefähr diesem Zeitpunkt erschossen worden war, konnte sie kaum die Täterin gewesen sein.
Er griff nach dem Telefon und ließ sich von der Zentrale mit Professor Cyprian Steinfest verbinden, dem Pathologen des Klinikums. Das Telefon klingelte lange und ausdauernd, und er wollte schon auflegen, als sich Steinfest meldete, die sonst angenehm bayerisch eingefärbte Stimme diesmal angespannt oder sogar grimmig.
»Haben Sie bei der Polizei nicht genug Arbeit, dass Sie mich bei meiner hindern müssen? Ich diktiere gerade das Obduktionsprotokoll, Sie können es morgen am späten Vormittag abholen lassen, falls Ihre Beamten nicht wieder irgendwo angebunden werden.«
Ergeben bat Walliser um Entschuldigung. »Aber ich sollte unbedingt den ungefähren Todeszeitpunkt...«
»Sie kommen mir vor wie mein Dackel«, sagte Steinfest. »Der sitzt auch bloß da und will, dass ich ihm ein Stück Brot mit Leberwurst hinwerfe! Dann macht er schnapp! Das Stück Brot ist weg, und der Dackel sitzt wieder da und guckt und wartet auf das nächste...«
»Nur den ganz ungefähren Zeitpunkt«, bettelte Walliser. »Wollen Sie denn, dass ich Männchen mache?«
»Das wäre mir schon bei meinem Dackel zuwider, dass er Männchen macht«, erwiderte Steinfest. »Außerdem sieht es bei Ihnen womöglich noch blöder aus. Aber der Tod von diesem Orschach ist heute Morgen eingetreten, nicht vor drei Uhr in der Früh, nicht nach vier Uhr, irgendwo dazwischen.«
»Ich danke Ihnen sehr«, sagte Walliser, und während er das sagte, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass diese Nachricht vielleicht gar keine erfreuliche war, keine, mit der seine Welt und die Aussicht auf seinen Ruhestand sich stabilisieren würden.
»Ungern geschehen«, antwortete Cyprian Steinfest, »aber wenn Sie jetzt schon angerufen haben - sagen Sie mir doch bitte eines … Orschach lag in seinem Bett, als er gefunden wurde?«
»Ob es seins war, weiß ich nicht. Aber in einem Bett lag er …«
»Wie oft ist auf ihn geschossen worden?«
»Wenn er in dem Zimmer getötet wurde, in dem wir ihn gefunden haben - und darauf deuten alle Spuren hin -, dann nur einmal«, antwortete Walliser und rümpfte die Nase. Irgendetwas roch merkwürdig. »Es hat sonst keine Einschüsse gegeben.«
»Sauber«, meinte Cyprian Steinfest. »Orschach ist aus mehreren Metern Entfernung erschossen worden. Und nach dem Schusskanal zu schließen, muss er sich im Bett aufgerichtet haben, als ihn die Kugel traf. Mitten in die Stirn traf sie ihn, obwohl er sich bewegte... Also passen Sie gut auf, wenn Sie den Täter festnehmen. Eine kugelsichere Weste genügt da nicht.«
»Und warum nicht? Ich kann Ihnen grade nicht ganz folgen …«
»Weil dieser Kerl Ihnen schneller das Hirn aus dem Kopf schießt, als Sie gucken können«, erklärte Steinfest und schob noch rasch ein »Pfüat’ Gott!« nach, ehe er auflegte.
Walliser rieb sich die Augen und versuchte nachzudenken, aber der Geruch in seinem Büro war immer merkwürdiger geworden. Er stand auf, so schnell, wie es sein Rücken zuließ, und drehte sich um. Rot glühte im Regal der Tauchsieder. Offenbar hatte er vergessen, Wasser in den Topf zu geben.
Er griff nach dem Stecker. Aber bevor er ihn erreichte, gab es einen krachenden Schlag, und sein Zimmer und mit ihm die Polizeidirektion Friedrichshafen versanken in Dunkelheit.
W as ich auf die Schnelle tun konnte, ist geschehen«, sagte Dr. Hauerz, während er aus seinem Medikamentenschrank eine Schachtel Tabletten holte. »Leider haben meine Kollegen in der Ambulanz nicht sehr sorgfältig gearbeitet, aber dafür den Verband zu fest angelegt. Nun ja, wer macht keine Fehler... Ich gebe Ihnen jetzt noch ein
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