Forellenquintett
Kulitz zu, der plötzlich erschrak und zurückwich. »Nicht schlagen!«, schrie er. Ramiz packte Kulitz’ rechten Arm und drehte ihn auf den Rücken.
S everin Hauerz öffnete eine Flasche Bier und schenkte sich sorgsam ein, so dass sich nicht zuviel Schaum bildete, sondern nur eine wohlgefällige, den Durst anregende kleine Krone. »So muss das sein!«, sagte er befriedigt und trank einen ersten Schluck. »Und wie geht es unseren Lieben?«
»Patrick ist seit einer halben Stunde im Bett«, berichtete Alma Frogesser. »Wir hoffen, dass er heute durchschläft.«
»Papi trinkt Bier«, sagte Undine. »Dann wird er bald betrunken.«
»Nun, so viel Bier nicht«, meinte ihr Vater und wischte sich den Schaum von den Lippen. »Und so bald wird der Papi auch nicht betrunken sein. Sag mir lieber, wie es im Kindergarten war.«
»Schön war’s.«
»Aber was habt ihr denn heute so gemacht? Erzähl doch mal.«
»Weiß nicht. Antonia ist blöde.«
»Und warum?«
Die Klingel schlug an. »Ich schau mal schnell«, sagte Alma Frogesser und stand vom Esstisch auf.
»Ich hab heute keinen Notdienst!«, rief ihr Hauerz nach. Er warf einen Blick auf seine Frau, die eine Tasse Kräutertee und ein nicht angerührtes halbes Butterbrot vor sich stehen hatte. »Eigentlich hatte ich wissen wollen, wie es dir heute so gegangen ist.«
»Gut«, sagte Audrey mechanisch.
Ein Wortwechsel war von der Tür her zu hören und brach abrupt wieder ab. Severin Hauerz runzelte die Stirn und erhob sich. Die Tür öffnete sich, und Marlen Ruoff trat ins Zimmer. »Es tut mir sehr leid, hier zu stören. Aber wir haben einen Notfall.« Über die Schulter der Polizistin hinweg sah Dr. Hauerz, dass eine großgewachsene blasse Frau am Türrahmen des Hauseingangs lehnte. Die Frau hatte einen Arm in der Schlinge. Alma Frogesser war zur Seite gewichen und starrte entsetzt auf einen dicklichen untersetzten Mann, der vor ihr stand und sehr eindringlich den Finger vor die Lippen hielt.
»Sie sind nicht …«, setzte Hauerz an und brach ab. Es hätte verschiedene Dinge zu sagen gegeben. Aber dann zuckte er bloß mit den Achseln. »Aber wenn Sie nun mal schon hier sind...«
K alten Kamillentee kann niemand trinken, dachte Walliser und schüttete angewidert den Rest aus seinem Porzellanbecher in den Ausguss. Eigentlich sollte er jetzt etwas zu Abend essen und nicht erst später, sonst würde ihn die ganze Nacht der Magen drücken. Er hängte den Tauchsieder in den Topf und schloss ihn an die Steckdose an. Dann setzte er sich in seinen Sessel, legte den Kopf zurück und massierte sich die Schläfen. Drei Wochen noch! Aber so wie es aussah, würden diese drei Wochen kein Ende nehmen, niemals.
Das Telefon klingelte.
Ja, dachte er, wenn ihr nur zu telefonieren habt! Ergeben meldete er sich.
»Mein Name ist Kuttler«, sagte eine junge Stimme, »von der Polizeidirektion Ulm, Dezernat römisch eins... Sie wollten eine Auskunft von uns, die Kollegin Tamar Wegenast betreffend.«
»Ja«, antwortete Walliser, »ja natürlich... wird ihre Wohnung überwacht?«
»Die Wohnung wird überwacht«, kam die Antwort, »aber die Kollegin ist nicht gesehen worden. Haben Sie noch mehr solcher Aufträge für uns?«
Das ist doch eine Unverschämtheit, dachte Walliser. Nicht aufregen! »Wir wüssten gerne, welche Schuhgröße die Wegenast hat. Ob es ungefähr die Größe zweiundvierzig sein könnte.«
»Sie sprechen von unserer Kollegin Frau Tamar Wegenast?«, fragte die Stimme.
»Das sagte ich doch...«
»Das sagten Sie nicht.« Die Stimme blieb unverändert. »Aber wie Sie meinen. Nur verstehe ich nicht, was eine Schuhgröße von ungefähr zweiundvierzig sein könnte.«
»Nun«, sagte Walliser, »etwas mehr, etwas weniger.«
»Etwas mehr, etwas weniger«, echote es am anderen Ende der Leitung. »Meinen Glückwunsch zur Präzision Ihrer Ermittlungen! Ich habe hier in unserem Garderobenschrank ein Paar feste Wanderschuhe von Frau Wegenast. Wenn ich das richtig sehe, ist das Größe vierzig. Nicht mehr, nicht weniger, Kollege.«
»Ich bin Hauptkommissar«, sagte Walliser, »und ich verbitte mir Ihren Ton, Sie werden deswegen noch von mir hören … Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie und die Wegenast sich das gleiche Büro teilen?«
»Falls Sie von Frau Kommissarin Wegenast sprechen: Ja.«
Walliser atmete tief durch. An was für einen Scheißkerl war er da geraten? Jung, unverschämt, Korinthen kackend. »Ich werde Ihre Angaben nachprüfen lassen.
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