Forellenquintett
auf ihn hinweist, nach dem Mord am Tatort ablegt, um nicht zu sagen: sie dort deponiert.«
»Das ist Kriminalistenlogik«, sagte Oerlinghoff. »Und eben deswegen ein weiterer Hinweis auf die Wegenast. Was hätte sie denn sonst mit der Waffe tun sollen? Es wäre absolut sinnlos gewesen, die P 5 in den See zu werfen oder sie sonst von einem Mitglied ihres - wie sagten Sie? - Netzwerks entsorgen zu lassen. Bei einem Vergleich der Projektile, die in dem totgeschossenen Hund stecken, mit der Kugel im Kopf dieses Kevin Orschach wäre die Tatwaffe ja doch als die ihre identifiziert worden. Also präsentiert das kluge Kind, das sie ist, die Waffe so plakativ, wie es niemand sonst tun würde. Ich gehe jede Wette ein, dass sie behaupten wird, die Waffe sei so abgelegt worden, um ihr die Schuld in die Schuhe zu schieben. A propos: Wollten Sie nicht die Schuhgröße der Dame ermitteln?«
»Vierzig«, antwortete Walliser und blinzelte heftig mit den Augen, denn in diesem Augenblick schaltete sich die Beleuchtung wieder ein. Oerlinghoff saß weiter entfernt vom Schreibtisch, als es im Halbdunkel den Anschein gehabt hatte.
»Wenigstens etwas«, sagte der Polizeidirektor und ließ im Unklaren, ob er damit die Ermittlung der Schuhgröße oder das Ende des Stromausfalls meinte. »Im Übrigen, Kollege Walliser, ist es mir ziemlich egal, ob dieser Orschach von seinen eigenen Leuten oder von der Wegenast erschossen wurde... nun schauen Sie mich nicht so an! Die Aufklärung dieses Falls ist Ihr Job. Meiner ist es, dafür zu sorgen, dass nicht noch mehr aus dem Ruder läuft. Für übermorgen ist eine Demonstration dieser Gruppe angemeldet, zu der dieser Orschach gehört hat. Das ist keine angenehme Kundschaft, die wir hier in unserem Beritt haben werden, das dürfen Sie mir glauben. Und wenn diese Sache nicht weiter eskalieren soll, dann müssen wir vor allem dafür sorgen, dass diese Leute keine Selbstjustiz üben, beispielsweise an der Wegenast, mit der sie sowieso noch eine Rechnung offen haben. Und deswegen, lieber Walliser, will ich Sie auch gar nicht hindern, einen anderen Täter ausfindig zu machen. Aber solange Sie den nicht haben, sorgen Sie wenigstens dafür, dass die Wegenast hinter schwedische Gardinen kommt. Da kann ihr nämlich noch am wenigsten passieren...« Der Polizeidirektor stand auf und sah auf seine Uhr. »Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, bei mir hat sich noch später Besuch angesagt.«
M arlen schloss die Tür auf und machte Licht, Tamar und Audrey traten ein, nur Ramiz blieb draußen stehen.
»Sie kommen nicht mit?«, fragte Tamar.
»Gucke, ob wer in Haus.«
Er nickte und verschwand wieder im Korridor.
»Was ist das für eine Wohnung?«, fragte Audrey.
»Irgendeine«, antwortete Marlen. »Der angebliche Bastian hat sich hier versteckt.«
»Vor wem?«
»Das wüssten wir auch gerne«, sagte Tamar. Sie hatte sich das schnurlose Telefon vom Regal geholt und setzte sich damit auf die Couch. Dann knipste sie die Stehlampe an. »Wo ist er eigentlich?« Ohne die Antwort abzuwarten, legte sie den Hörer vor sich auf den Couchtisch und wählte mit der linken Hand und etwas ungelenk eine Nummer.
Marlen ging wieder in den Flur hinaus und schloss die Tür zu einer engen dunklen Besenkammer auf. »Sie können rauskommen«, sagte sie in die Dunkelheit. Nichts geschah. Aus ihrer Jackentasche holte sie eine Taschenlampe und leuchtete in das Dunkel. Ganz hinten, neben einem Staubsauger und gegen einen zusammengerollten Teppich gelehnt, hockte Ansgar Kulitz, die Hände um die angezogenen Beine geschlungen.
»Na, dann eben nicht«, meinte Marlen und schloss die Wohnungstür ab. »Damit Sie nicht wieder davonlaufen müssen.«
»Ja«, sagte Tamar. Offenbar hatte sich der Teilnehmer gemeldet.
Audrey hatte sich auf einen der Stühle am Esstisch gesetzt, etwas abseits der Sitzgruppe, und den Anorak geöffnet, den sie über ihrem Hausanzug trug. Sie betrachtete Tamar, und ihr Blick war nachdenklich und prüfend.
Tamar hatte die Stirn gerunzelt. Am anderen Ende der Leitung lief im Hintergrund ein Fernseher.
»Ich hab vorhin die Nachrichten in der Landesschau gehört«, sagte Kuttler, und seine Stimme klang fast wie immer: wie die eines noch sehr jungen Mannes.
»Es gibt doch immer was zu erzählen«, meinte Tamar.
»Nicht immer. Der Typ, mit dem ich geredet hab, der will nicht.«
»Nein?«
»Nein. Es gibt Leute, sagt er, von denen lässt er einfach die Finger. Das sollten wir auch tun, meint
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