Forellenquintett
fuhr Kulitz fort und blickte zu Tamar, die aus dem Wohnzimmer kam. »Dass ich von hier sei? Habe ich irgendjemanden gebeten oder ihm nahe gelegt...«
»Würden Sie bitte die Klappe halten?«, sagte Tamar. »Sie sind jetzt nicht wichtig.«
»Hat man Töne«, sagte Kulitz, »da sind Leute hinter einem her...«
»Kusch«, befahl Marlen, denn von der Tür her hörte sie ein leises Klopfen. Marlen sah durch den Spion, dann öffnete sie.
»Tag, Marlen«, sagte Hoflach, »dürfen wir eintreten? Euer Gorilla hat uns unten in der Tiefgarage aufgespürt, bei diesem Landrover, der da noch immer steht.«
M arie-Christine v. Oerlinghoff, geborene Levasseur, schaltete die Kaffeemaschine ein und stellte ein Tablett mit zwei Mokkatassen, einer Karaffe Wasser und zwei Gläsern bereit. Die Tassen waren aus hauchdünnem Meißener Porzellan mit einem Zwiebelmuster. Sie nahm eines der Tässchen und wischte es mit einem Küchentuch aus.
»Irgendwer hat mir erzählt«, sagte sie über die Schulter, »dass strenggläubige Moslems nach dem Besuch von Christen das Geschirr zertrümmern, aus dem sie mit ihnen Kaffee getrunken haben. Um diese Meißener Tässchen täte es mir leid.«
»Manchen Schiiten wird das nachgesagt«, erwiderte ihr Mann, der am Türrahmen lehnte und ihr zusah. »Wir müssen diesen Brauch aber, glaube ich, nicht übernehmen. Außerdem wird niemand unseren Besucher für einen Christen halten können.«
»Soll ich einen späten Imbiss vorbereiten? Vielleicht eine Zwiebelsuppe?«
»Nein«, entschied ihr Mann. »Nicht zu viel der Bemühungen! Und von französischer Lebensart wird er, glaube ich, ohnehin eher nichts wissen wollen. Aber du könntest ein paar Sandwiches vorbereiten, für die Männer draußen, und vielleicht kommt auch noch anderer Besuch, wer weiß das schon!«
»Du meinst Wolfgang?«
»Nein«, antwortete ihr Mann. »Das ist ausgeschlossen. Das heißt, heute ist es ausgeschlossen.« Er versuchte ein Lächeln. »Irgendwann wird sich das wieder ändern.«
Sie drehte sich um. Marie-Christine v. Oerlinghoff war eine schlanke Frau, ein wenig größer als ihr Mann, und ihr braunes Haar war in Form eines Pagenkopfes geschnitten. Sie trug einen mittellangen Rock und einen Kaschmirpullover. Ihr Gesicht, in das sich von den Nasenflügeln herunter schon Kerben zogen, war nicht geschminkt. Der Blick, mit dem sie ihren Mann betrachtete, war distanziert, fast kühl.
»Das alles sind doch sehr merkwürdige Spiele, weißt du das?«
»Spiele?«, fragte Oerlinghoff zurück.
»Wie willst du es sonst nennen? Dieser Name, diese Stellung als Chauffeur...«
»Er fungiert als sein Sekretär. Das muss für einen jungen Mann in seinem Alter nicht genierlich sein.«
»Bei diesem Menschen schon«, antwortete Marie-Christine und ging zum Kühlschrank, um Butter, Käse und Aufschnitt für die Sandwiches zu holen. »Wie viele Männer sind das, die da draußen - ich weiß nicht was tun?«
»Zwei im Garten und vier weitere draußen«, antwortete Oerlinghoff, ging zum Fenster und spähte - die Augen mit der Hand gegen das Licht abgeschirmt - ins Dunkle hinaus. Aber aus dem Küchenfenster konnte man nur den Garten des Nachbarhauses sehen, mit dem Segelboot darin, das bereits an Land gezogen und aufgedockt war.
»Sechs Leute!«, rief Marie-Christine, »und das sagst du mir erst jetzt! Das sind doch Leute, die einen richtigen Hunger mitbringen …«
»Das sind Leute aus der Nachtschicht«, widersprach Oerlinghoff, »die haben schon gegessen, mit einem Sandwich sind die hochzufrieden...«
»Und was für eine Arbeit sollen die hier tun?«
»Hoffentlich keine. Wir brauchen sie nur für den Fall, dass jemand hier auftaucht, den ich gerne etwas sicherer verwahrt hätte.«
»Die Gäste, die du in unser Haus bringst, werden von Mal zu Mal reizender«, bemerkte Marie-Christine und holte ein Paket Toastbrote aus dem Gefrierfach.
I rgendein Hinweis?«, fragte Walliser.
»Nicht viel«, antwortete Waldner I, einer der beiden Beamten, die noch immer in der Einsatzleitung die Stellung hielten. »Angeblich ist die Marlen Ruoff heute Nachmittag in Aeschenhorn gesehen worden, wie sie aus dem Rathaus gekommen und in einen Daimler gestiegen ist.«
»Die Ruoff?«, fragte Walliser. »Im Rathaus? Was hat sie denn dort verloren?«
»Wir haben zwei Kollegen hingeschickt«, berichtete Waldner I, »die dann aber ein wenig unglücklich mitten in einen Empfang oder in einen Umtrunk geraten sind. Jedenfalls waren die Leute
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