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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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er.«
    »Heißt das«, fragte Tamar, »dass der Kerl ein Undercover ist?«
    »Für einen Undercover ist er zu jung. Sagt der Typ. Und noch was: einen schönen Gruß.«
    »Von dem Typ?«
    »Von dem Typ.«
    «Der weiß also, warum du ihn gefragt hast?«
    »Dicke weiß er das.«
    »Dann grüß ihn zurück, bei Gelegenheit...«
    Sie unterbrach die Verbindung und legte den Hörer wieder vor sich auf den Couchtisch. Für einen Augenblick saß sie unbewegt da, und ihre Augen schienen nichts wahrzunehmen.
    »Ist das nicht gefährlich für Sie?«, fragte Audrey mit leiser Stimme und deutete auf die Lampe. »Oder lässt die Jalousie das Licht nicht nach draußen?«
    Ob etwas gefährlich ist oder nicht, darauf kommt es manchmal nicht an, dachte Tamar. »Wir werden hier sowieso nicht bleiben können«, sagte sie. »Und Sie setzen wir irgendwo ab, wo Sie ein Taxi rufen können.«
    »Ach!«, kam die Antwort, »das eilt nicht.«
    Tamar sah überrascht auf. »Mir ist es wichtiger, mit diesem angeblichen Bastian zu reden. Außerdem...« - sie schien nach den richtigen Worten zu suchen - »außerdem versuchen Sie und Marlen, etwas herauszufinden, wenn ich das richtig verstanden habe. Und vielleicht hat das mit Dingen zu tun, die auch für mich wichtig sind.«
    »Ja?«
    Audrey sah hoch. Marlen war ins Wohnzimmer gekommen, blieb aber im Türrahmen stehen, in Tamars Rücken. Das Gesicht von Audrey veränderte sich, als habe ihr Marlen einen warnenden oder strafenden Blick zugeworfen. Sie runzelte die Stirn und sah dann Tamar mit einem fast trotzigen Gesichtsausdruck an.
    »Ich habe einen anonymen Brief bekommen«, sagte sie unvermittelt, holte aus der Tasche ihres Hausanzugs ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus und reichte es Tamar.
    Marlen war jetzt doch in das Zimmer gekommen und setzte sich ebenfalls an den Esstisch. »Audrey ist nicht die Einzige, die einen solchen Brief bekommen hat«, erklärte sie. »Ich weiß nicht, wie wichtig man das nehmen muss.«
    »Ich muss das wichtig nehmen«, sagte Audrey unerwartet heftig. »Er droht meinen Kindern!«
    Tamar hatte den Brief genommen und las, die letzte Passage laut. »Und wie leicht das passieren kann, dass ein Kind verloren geht …«
    »Sie haben Recht, das müssen Sie ernst nehmen«, sagte sie dann und reichte Audrey den Brief zurück. »Sobald wir weg sind, rufen Sie am besten sofort unsere Kollegen bei der Polizeidirektion an, oder wir bringen Sie gleich zu einem Taxistand, und Sie fahren dorthin...«
    Audrey setzte zu einem Widerspruch an, aber in diesem Augenblick hörten sie aus dem Flur eine Bewegung, Marlen stand auf und ging zur Tür. Ansgar Kulitz kam aus der Besenkammer, einen Eimer in der Hand.
    »Gucken Sie nicht so blöd«, sagte er und ging zum Badezimmer. Der Eimer wurde ausgeschüttet und die Spülung gezogen.
    Kulitz kehrte aus dem Bad zurück und blieb zögernd im Flur stehen, den Eimer in der Hand. »Könnten die verehrten Damen mir vielleicht sagen, was Sie jetzt mit mir vorhaben? Wollen Sie mich wieder in die Besenkammer sperren, und könnte ich dann vielleicht ein Glas Wasser vorher haben oder eine Scheibe Brot, das haben sie sogar im Mittelalter den Gefangenen zugestanden: Wasser und Brot und etwas für die Notdurft...« Er hob anklagend den Eimer, den er in der Hand hielt.
    »Sagen Sie uns lieber, wovor oder vor wem Sie sich hier versteckt haben«, sagte Marlen.
    »Ach! Nicht mal Wasser und Brot, aber Auskünfte, Sie sind lustig. Und was haben Sie mich überhaupt zu fragen? Wenn ich das richtig verstanden habe, was im Fernsehen kam, gehören Sie ebenso hinter Schloss und Riegel wie diese andere dahinten...«
    Audrey war aufgestanden, und Tamar, die sie beobachtete, schien es, als ob sie noch blasser geworden sei. Sie hatte die Hände auf den Tisch aufgestützt, schließlich löste sie sich davon und ging zur Tür.
    »Sieh ihn dir nur an«, sagte Marlen.
    »Bitte sehr«, sagte Kulitz, »sehen Sie sich an, wie ein Mensch aussieht, den man in die Besenkammer sperren muss, auch wenn es vermutlich kein angenehmer Anblick ist, nicht die Besenkammer, sondern der Mensch, hätten Sie mich vielleicht gern gefälliger? Männlicher? Genialer? Ich bin nicht genial, aber wenn Sie es wünschen, lasse ich mir gerne die Haare wieder länger wachsen, oder wäre ein kleiner Schnäuzer angenehm?«
    »Wovon redet dieser Mann?«, fragte Audrey und blickte zu Marlen. »Und das soll wirklich Bastian sein? Niemand von hier redet so …«
    »Habe ich das vielleicht behauptet?«,

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