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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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schon recht gut drauf, mit allerhand Ratschlägen, wie man Ortsschildern aus dem Weg gehen sollte …«
    »Ich kann es mir vorstellen«, unterbrach ihn Walliser. »Aber was ist mit der Ruoff?«
    »Die will keiner gesehen haben, auch der Bürgermeister nicht.«
    Das Telefon schlug an, der zweite Beamte nahm den Hörer ab und meldete sich. Dann sah er auf und suchte den Blick von Walliser. »Es ist die Zentrale«, sagte er dann, »da ist eine Frau, die Sie dringend sprechen will. Eine Audrey Hauerz aus Aeschenhorn …«
    Nicht schon wieder, dachte Walliser. Egal. »Die Zentrale soll sie raufschicken.« Er wandte sich und ging in Richtung seines Büros. Am Treppenaufgang blieb er stehen und wartete auf die Besucherin.
    Es war eine zierliche Frau, die die Stufen hochstieg, mit einem blassen, angestrengten Gesicht, eher ein Gesichtchen, dachte Walliser. Aber hüte dich vor Rehen!
    »Herr Walliser?«, fragte die Frau. »Ihre Kollegin Wegenast hat mich zu Ihnen geschickt.«
    Wer führt hier eigentlich die Ermittlungen, dachte Walliser, und wer, bitte, ist zur Festnahme ausgeschrieben? Irgendetwas war in Gang gekommen, und er hatte keine Ahnung, was es war und welche Richtung es einschlagen würde.
    »Dann kommen Sie jetzt mal mit in mein Büro.«
    Er ging ihr voraus und wies auf den Stuhl für die Besucher. Als er sich selbst setzte, musste er ein Gähnen unterdrücken.
    »Entschuldigung«, sagte er, »ich hatte heute einen langen Tag.« Er schüttelte den Kopf. »Offenkundig ist er noch nicht zu Ende. Frau Wegenast hat Sie zu mir geschickt, sagten Sie? Ich wäre nicht unglücklich, wenn sie selbst gekommen wäre.«
    »Ich habe Ihnen auch etwas von ihr auszurichten«, sagte Audrey Hauerz. »Aber erst müssen Sie mir helfen.« Aus der Brusttasche ihres Anoraks holte sie ein zusammengefaltetes Papier und reichte es ihm über den Schreibtisch.
    Walliser faltete es auseinander und las. Schließlich sah er auf, griff sich aus der Ablage auf seinem Schreibtisch einen dünnen Ordner, schlug ihn auf und legte den Brief, den ihm Audrey gegeben hatte, neben den, den Olga Stubbinger in ihrer Hand zerknüllt hatte.
    »Sie sind nicht die Einzige, die solche Briefe erhalten hat«, sagte er schließlich.
    »Das weiß ich«, antwortete Audrey. »Aber ich bin, glaube ich, die Einzige, deren Kinder bedroht werden.«
    »Ja«, sagte Walliser, »das ist nicht von der Hand zu weisen.« Er griff nach dem Hörer und gab eine Kurzwahl ein. Es meldete sich Waldner I. Nein, sagte er, er habe niemanden mehr einzusetzen: »Die sind alle in die Fahndung nach der Wegenast eingebunden oder zum Objektschutz beim Chef draußen im Seehag.«
    Walliser schüttelte den Kopf. »Was ist das nun wieder für eine Geschichte?«
    »Anordnung von oben«, sagte Waldner I, und durch das Telefon konnte Walliser ahnen, wie der Kollege einen gottergebenen Blick zur Decke richtete.
    »Das ist mir egal«, hörte sich Walliser sagen. »Wir haben hier einen Notfall. Schicken Sie den nächstgelegenen Wagen nach Aeschenhorn, zum Anwesen eines Dr. Severin Hauerz.« Er gab die Adresse durch. »Die Kollegen sollen sich vergewissern, dass im Haus alles in Ordnung ist und die Kinder wohlauf sind. Und dann sollen sie das Anwesen sichern, bis sie abgelöst werden.«
    Er legte auf.
    »Danke«, sagte Audrey.
    Walliser schob ihr das Telefon über den Tisch. »Sagen Sie bitte bei sich zu Hause Bescheid, dass unsere Kollegen vorbeischauen werden. Sind Sie mit einem Wagen hier?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Dann bestellen Sie sich eine Taxe.«
    Audrey Hauerz nahm den Hörer in die Hand, zögerte aber. »Ich wollte Ihnen doch noch etwas ausrichten …«
    »Ja?«
    »Tamar Wegenast lässt Ihnen sagen, im Hotel Seehof sei ein Mann abgestiegen, der sich Wolf Deutscher nennt. Sie sollen seinen richtigen Namen herausfinden.«
    Walliser starrte sie an, als habe er nicht richtig gehört. Die Vorboten eines Zornes, wie ihn schon lange keiner mehr heimgesucht hatte, stiegen in ihm hoch.
    »Was haben Sie?«, fragte Audrey.
    »Nichts«, sagte Walliser, »gar nichts. Wie war der Name noch mal? Deutscher, Wolf Deutscher?« Audrey nickte, und Walliser machte sich eine Notiz.
    Die Klingel schlug an, Oerlinghoff stand auf und ging, um zu öffnen. Das Haus, das er am Seeufer angemietet hatte, verfügte über eine helle und großzügige Eingangshalle, in der einige sorgfältig restaurierte Portraits aus dem Besitz der Familien Oerlinghoff und Levasseur aufgehängt waren. Der Polizeidirektor beeilte sich nicht

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