Forellenquintett
angetrunken war. Seine Uniformhosen waren bis über die Knie durchnässt, und mit einer halben Backe saß er auf einem zusammengerollten Seil,
Das Boot bewegte sich und schwamm plötzlich frei, Marlen Ruoff und dann der Mann, der das Tau gehalten hatte, schwangen sich an Bord, der Mann startete einen Außenbordmotor, offenbar verstand er sich darauf, denn der Motor sprang beim ersten Versuch an. Der Mann nahm das Ruder, und tuckernd drehte das Boot nach Süden und nahm langsame Fahrt auf. Oerlinghoff schob das Seil zur Seite und warf einen Blick zurück, eine Kette von Lichtern zeigte an, wo das Ufer verlief, irgendwo blinkte regelmäßig und sinnlos blaues Licht, dann verschwand es, andere Lichter zogen vorbei und brachen wieder ab, Oerlinghoff erkannte die Umrisse von Industriebauten, sie waren auf Höhe des Werks Friedrichshafen der MTU, der Maschinen- und Turbinenunion, das Boot näherte sich wieder dem Ufer und verlangsamte die Fahrt. Hatte die Wegenast hier irgendwo am Ufer einen Wagen abgestellt? Da würde sie ein Problem bekommen: Die Kollegen hatten längst eine Ringfahndung ausgelöst. Oerlinghoff versuchte den Mann einzuschätzen, dem das Boot offenkundig gehörte und der jetzt ein gleichmäßiges Tempo einhielt, nah am Ufer entlang. Er war größer als er selbst und hatte eine Stirnglatze, viel mehr konnte er von dem Gesicht nicht erkennen.
»Willst einen Schluck?« Die Betrunkene reichte ihm einen Flachmann.
»Danke«, sagte er. »Sie sind sehr freundlich.«
»Du kannst ruhig einen Schluck nehmen, ich hab nichts Ansteckendes …«
»Nein, danke«, beharrte Oerlinghoff.
»Wie du meinst...«, murmelte die Frau und nahm selbst einen. »Was ist das eigentlich für ein Kostüm, das du da hast? Sieht hübsch aus. Fast wie ein Bahnhofsvorstand.«
»Lass ihn in Ruhe«, sagte Marlen Ruoff.
Am Ufer trat die Lichterkette zurück, im Mondlicht, das wieder durch die Wolken brach, sah Oerlinghoff Bäume und dahinter die Doppeltürme der Schlosskirche Friedrichshafen. Das Boot näherte sich jetzt noch mehr dem Ufer, plötzlich begriff er, dass der Kerl, der das Ruder hielt, mit Absicht im flachen Wasser blieb, also dort, wo ihm die Boote der Wasserschutzpolizei nicht würden folgen können.
»Ich könnt mal einen Schluck vertragen«, sagte der Kerl, und die blonde Frau stand auf und ging gebückt und etwas schwankend zum Heck. »Pass bloß auf!«, sagte er, und die Frau gab zurück, sie werde schon nicht ins Wasser fallen, verlor das Gleichgewicht und plumpste auf den Platz neben Tamar Wegenast.
»Hab ich doch gesagt, dass ich nicht ins Wasser fall!«, erklärte sie und hielt den Flachmann hoch. Der Mann nahm einen kräftigen Schluck, wischte sich den Mund ab und reichte die Flasche zurück. »Geht mal eine von euch auf die andere Seite?«, bat er dann. »Wir sind grade etwas schieflastig.«
Tamar stand auf und ging gebückt auf den Platz neben Oerlinghoff. »Ich wollte Sie sowieso noch ein oder zwei Dinge fragen«, sagte sie, als sie sich setzte.
»So«, antwortete er gedehnt, »wollten Sie das?«
»Wo waren Sie gestern Nacht zwischen drei und vier Uhr morgens?«
Oerlinghoff sah ungläubig auf. »Ich glaube, jetzt haben Sie den Verstand verloren«, stellte er in einem Ton fest, der nicht zornig, sondern nachsichtig und fast freundlich klingen sollte. »Sie haben sich der Festnahme entzogen, Sie sind bei mir eingedrungen, Sie haben mich als Geisel genommen - und jetzt wollen Sie mit mir, einem Leitenden Polizeibeamten, Verhör spielen?«
»Sie werden dieser Frage nicht mehr entkommen«, antwortete Tamar. »Sie wussten, wo ich meine Pistole weggeworfen hatte, und Sie hatten nach unserem Gespräch im Krankenhaus zwar nicht viel Zeit, aber genug, um die Pistole zu finden, sie neu zu laden - vermutlich mit Munition für Ihre eigene Dienstwaffe..., nach Aeschenhorn zu fahren und Orschach zu töten...«
Oerlinghoff lachte. »Sie sind gut. Woher, bitte, sollte ich wissen, wo dieser Mensch abgestiegen war?«
Eine Stimme räusperte sich. »Sie wissen es von Boulanger«, sagte Marlen Ruoff. »Erinnern Sie sich? Das war der Mann, der angeblich von mir auf dem Uferweg überfallen worden ist. Sie selbst haben ihn vernommen. Von ihm haben Sie auch den Wohnungsschlüssel bekommen.«
Ärgerlich drehte Oerlinghoff den Kopf zu ihr. »Woher wollen Sie denn das wissen?«
»Walliser hat es mir gesagt«, antwortete sie. »Ich hab es noch im Ohr: Übrigens hat der Chef höchstpersönlich die Vernehmung geführt. «
Das
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