Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
Kulitz’ Blick, wie ein Schatten zog Ärger oder Verdruss über sein Gesicht, als habe der Passant draußen ihn bei einer anstößigen Verrichtung ertappt.
    Kulitz beschleunigte seinen Schritt. Im ersten Stock bei Jehles brannte Licht, das gab ihm merkwürdigerweise einen Stich. Aber er ließ sich nicht aufhalten und klingelte ein erstes und - als Martin Jehle sich an der Sprechanlage meldete - ein zweites Mal. Es dauerte eine Weile, dann ging im Laden Licht an, Jehle kam und schloss die Tür auf und schob wortlos den Rollladen hoch. Kulitz trat ein und versuchte ein Lächeln. Dann sah er, dass Elisabeth Jehle neben der Ladenkasse stand.
    »Du hast zurückgefunden«, sagte sie. »Das ist gut. Hier brauchst du dich vor niemandem zu fürchten.«
     
     
     
    J e später der Abend...«, sagte Oerlinghoff. Er machte eine Handbewegung, als wolle er Tamar Wegenast seinen Besucher Schatte vorstellen. »Aber ich glaube, Sie kennen sich bereits.« Dann wies er auf Marlen Ruoff, die an der Tür stehen geblieben war. »Dies hier ist Frau Polizeihauptmeister Ruoff, die - wie Frau Wegenast auch - uns sicher noch sehr viel zu erklären haben wird …«
    »Hören Sie mit der Komödie auf«, sagte Schatte. »Entweder lassen Sie die beiden Damen jetzt festnehmen, oder wir beenden das Gespräch.«
    »Aber warum denn, Herr Dr. Schatte?« Tamar ging auf die Sitzgruppe zu. »Fürchten Sie denn, ich gehe zu Ihren Gefolgsleuten und erzähle Ihnen, mit wem Sie hier vertrauliche Gespräche führen …«
    Abrupt blieb sie stehen und sah um sich.
    Schatte lachte. »Sie werden gerade zu meinen Leuten gehen! Aber bitte... Nur muss ich Sie warnen. Das Vergnügen, das Sie erwartet, wird etwas heftig ausfallen.«
    »Ich muss um Entschuldigung bitten«, sagte Tamar, diesmal an Oerlinghoff gewandt. »Ihr Teppich…« Sie wies auf die großen feuchten Schmutzflecken, die ihre Schritte auf dem Buchara-Teppich hinterlassen hatten. »Wir sind über das Ufer gekommen, wissen Sie … Es ist also hauptsächlich Sand, lassen Sie es trocknen und gehen Sie dann vorsichtig mit dem Staubsauger drüber …«
    »Sie sind wirklich sehr aufmerksam«, bemerkte Oerlinghoff. »Können wir jetzt ernsthaft sprechen? Ich nehme an, Sie und Frau Ruoff sind hierhergekommen, um sich selbst zu stellen.«
    »Tun wir das?«, fragte Tamar über die Schulter.
    »Nein, das tun wir nicht«, antwortete Marlen.
    »Da hören Sie’s«, sagte Tamar zu Oerlinghoff. »Es ist auch wahr. Eigentlich wollten wir Ihnen ein paar Fragen stellen, aber nachdem Sie sich in einem so traulichen Gespräch befinden …« Sie ließ den Satz unvollendet. »Vielleicht sollte ich erst einmal diesen Teppich verlassen.« Sie ging zu dem Bücherregal, das eine ganze Seitenwand ausfüllte und in dem ein einzelnes großes Fach ausgespart war für gerahmte Fotos, von denen einige aussahen, als seien sie kurz nach Daguerres Erfindung aufgenommen worden.
    »Wollen Sie jetzt vielleicht gütigst diesen Spuk beenden?«, fragte Schatte.
    »Ich bitte um etwas Geduld«, antwortete der Polizeidirektor. »Wir werden das in aller Höflichkeit zu seinem angemessenen Ende bringen.« Er beugte sich über den Tisch und griff nach seinem Mobiltelefon.
    »Geben Sie es mir!«, sagte eine Stimme neben ihm. Die Stimme war leise und befehlend zugleich. Oerlinghoff schaute auf und blickte in die Mündung der kleinen italienischen Pistole, die Marlen auf ihn gerichtet hatte.
    »Sie werden dafür einen hohen Preis bezahlen«, sagte Oerlinghoff und richtete sich wieder auf. Marlen griff das Mobiltelefon mit der linken Hand und steckte es ein.
    »Mir gefallen diese Fotos«, sagte Tamar. Sie stand noch vor der Regalwand. »Es zeigt Menschen, die Stil haben. Stil und Haltung.« Sie griff in das Fach und hängte eine der Fotografien ab, keine Daguerreotypie, sondern eine noch frische und unverblichene Farbaufnahme. »Wissen Sie, was ich in den letzten Tagen gelernt habe?«
    Oerlinghoff schwieg.
    »Man kann Menschen an ihren Gesten und an ihrer Haltung identifizieren, fast so gut wie durch eine DNS-Analyse«, fuhr Tamar fort. »Vermutlich ist das eine Binsenweisheit, aber für mich ist es eine unmittelbare Erfahrung.« Sie ging auf Oerlinghoff zu und hielt ihm das Bild hin, das sie abgehängt hatte. Es zeigte den Polizeidirektor v. Oerlinghoff mit einer schmalen dunkelhaarigen Frau und einem jungen, vielleicht 18jährigen Mann, der verschlossen und trotzig in die Kamera starrte. »Ihre Frau und Ihr Sohn, nicht wahr? Wie heißt Ihr Sohn denn

Weitere Kostenlose Bücher