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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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herausgeholt wurde, das beschämte sie von Mal zu Mal mehr. Da war ein Mensch geheimen, vermutlich oft genug niederträchtigen Ritualen, Gesetzen und Abhängigkeiten unterworfen (und unterworfen war er ihnen auch dann, wenn er sie sich zunutze zu machen verstand) - und sie kam und ließ sich so jemanden vorführen, als begutachte sie im Tierheim einen Hund, auch wenn man keinem Hund das Unrecht antun sollte, ihn mit dem Zuhälter Azlan Berisha zu vergleichen.
    Schließlich hatte sie alle Kontrollen passiert und saß im Besuchsraum und ging die Fotografien durch, die ihr Pawel Jachimczak überlassen hatte und die sie ihrem Gesprächspartner zeigen würde. Dann öffnete sich die Tür, Berisha kam herein, das Gesicht wie immer, wenn er besonders unverschämt werden wollte, zu einer höflichen Maske geronnen.
    »Die Frau Hauptkommissarin, sieh an!«, sagte er, »ist es nicht eine Ehre für mich? Darf ich Gnädigste zu Ihnen sagen?«
    Er war kleiner als Tamar, eigentlich ein unscheinbarer, etwas krummer Mensch. Seine Augen waren braun und musterten Tamar, als suchten sie die Stelle, an der er zuerst sein Messer ansetzen würde.
    Tamar schwieg und wartete, bis er sich gesetzt hatte.
    »Sie sind sehr schweigsam heute«, stellte Berisha fest, die dichten Augenbrauen angehoben. »Haben Sie ein Geheimnis auf dem Herzen? Oder eins darunter?«
    Tamar schob ihm den Stapel mit den Fotografien zu.
    »Ah ja«, sagte Berisha und ließ den Stapel unbeachtet liegen. »Fotos aus dem Urlaub? Nett.«
    Tamar schwieg noch immer.
    »Ich dachte, Sie wollten mir was erzählen«, meinte Berisha. »Aber offenbar wollten Sie mich nur sehen. Mal einen richtigen Mann angucken, wie?« Er zog die Lippen hoch. Braungelb verfärbte, spitz zulaufende Zähne wurden für einen kurzen Augenblick sichtbar.
    »Wann kommen Sie eigentlich raus?« Tamar hatte ihr Schweigen gebrochen.
    »Können Sie es nicht erwarten?«, fragte Berisha, noch immer im gleichen Ton. Aber sein Gesicht hatte sich verändert. Er schien plötzlich wachsam. »Sie kennen doch das Urteil.«
    »Unter Berücksichtigung der U-Haft haben Sie im nächsten Frühjahr zwei Drittel der Strafe verbüßt«, sagte Tamar. »Sie könnten dann also freikommen, nicht wahr?« Sie hielt Berishas Blick mit den Augen fest. »Was wollen wir wetten, dass Sie auch im nächsten Herbst noch hier drin sitzen?«
    Berishas Gesicht verdunkelte sich. »Dafür gibt es keinen Grund.«
    »Wollen Sie nun wetten oder nicht?«
    Er schüttelte den Kopf. Dann beugte er sich über den Stapel Fotografien und begann, sich ein Bild nach dem anderen anzusehen, mit einem ruhigen sachlichen Interesse. Schließlich legte er den Stapel wieder zusammen und schob ihn über den Tisch zu Tamar zurück. Das Foto von dem abgetrennten Kopf, der in Kattowitz gefunden worden war, legte er aufgedeckt nach oben.
    »Das da«, er deutete auf die Fotografie, »haben Sie zu verantworten. Das sollten Sie nicht mir in die Schuhe schieben wollen.«
    »Das werde ich leider so tun, wie es mir gefällt«, antwortete Tamar und setzte ein strahlendes Lächeln auf.
    »Damit kommen Sie nicht durch«, sagte Berisha heftig. »Ich bin hier im Knast, und der Scheiß draußen, der geht mich nichts an.«
    »Im Prinzip ist das richtig«, stimmte Tamar zu. »Nur, wenn einer nach zwei Dritteln Haftzeit rauswill, geht ihn der Scheiß, der ihm draußen angehängt wird, vielleicht doch etwas an.«
    Berisha schwieg, die Augen gesenkt. Tamar wartete. Schließlich schüttelte ihr Gegenüber den Kopf, wie um einen lästigen Gedanken loszuwerden.
    »Ich hab damit nichts zu tun.« Wieder deutete er auf die Fotografie. »Sie kennen mich. Ich bin Geschäftsmann. Wer in meiner Branche über die Runden kommen will, der braucht einen klaren Kopf. Der muss rechnen können. Also: Was soll ich Geld ausgeben und Leute riskieren, nur um ein dummes Huhn zu rupfen, das zuviel gegackert hat?«
    »Als Lektion für andere Mädchen«, antwortete Tamar.
    »Als Lektion!«, wiederholte Berisha. »Die bekommen ihre Lektionen satt, Gnädigste, gleich in den ersten Tagen passiert das, seien Sie da mal unbesorgt. Und selbst wenn: Warum lasse ich dieser bescheuerten kurwa dann den Kopf abhacken? Wozu die Sauerei? Halten Sie mich für einen Perversen?«
    »Was weiß ich!« Tamar zuckte die Schultern. »Aber vielleicht haben Sie Recht, und wir sollten das mit dem Kopf die Leute fragen, die Ihren Aufenthalt hier ein bisschen verlängern wollen.«
    Berisha hob den Kopf und betrachtete sie nachdenklich.

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