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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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»Dass es darauf hinaus soll, hab ich schon vorhin gemerkt, Gnädigste«, sagte er schließlich. »Nur muss ich mehr wissen.« Wieder deutete er auf den Stapel. »Wann ist das passiert, und wo?«
    »In Krakau. Am Montag letzter Woche.«
    Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Das hat mit mir nichts zu tun. Kann es gar nicht.«
    »Und dieser Mann hat auch nichts mit Ihnen zu tun?« Sie holte ein weiteres Blatt aus ihrer Mappe, einen Abzug des Phantombildes, das nach den Angaben des Krakauer V-Mannes von dem Mann gemacht worden war, der sich an Hannahs Haustür umgesehen hatte.
    Berisha nahm die Kopie und betrachtete sie, allerdings nicht sehr lange. Dann schüttelte er den Kopf und wollte sie ihr zurückgeben. »Nie gesehen.«
    »Wirklich nicht?«
    »Gnädigste! Das müssten sogar Sie sehen, dass das keiner vom Kiez sein kann.« Er hielt das Phantombild so, dass sie es beide betrachten konnten. »Das ist ein Deutscher. Werd ich vielleicht mit Deutschen arbeiten?«
    »Wie Sie meinen«, sagte Tamar, sammelte die Fotografien ein und stand auf. »Mein Zug fährt in einer halben Stunde. An Ihrer Stelle würde ich noch mal drüber nachdenken.«
     
     
     
    A ber nein!«, rief Walburga Kreitmeyer, schüttelte ihre prächtige braunlockige Mähne und lachte dazu. Sie lachte gerne, denn sie hatte große kräftige Zähne, überhaupt war alles groß und mächtig an ihr. »Das wollen wir beide jetzt gar nicht wissen, liebe Elisabeth, was in der Zeitung steht. In der Zeitung kann ich selber lesen, wenn ich die Zeit dazu habe, wir wollen in den Karten lesen!«
    Elisabeth Jehle nickte. Wie immer, wenn sie Walburga aufsuchte, war sie ein wenig befangen, und dies nicht einmal wegen deren schierer körperlicher Wucht. Es war vielmehr der Ausblick aus dem kleinen, mit schwarzem Stoff verhängten Zimmer auf das Alte Schulhaus und auf die beiden Kastanien, die links und rechts von der ausgetretenen Steintreppe standen, die zum Eingang führte. Die Bäume waren schon dort gestanden, als Elisabeth sechs Jahre alt gewesen war und zum ersten Mal in die Schule hatte gehen müssen, und sie standen auch dort, als Bastian die Treppe heruntergekommen war, auf dem Heimweg von seiner letzten Klavierstunde.
    »Schau’n wir mal«, sagte Walburga Kreitmeyer und begann einen Kreis zu legen. »Eine Kreuz-Vier, eine Pik-Sechs, nun ja, liebe Elisabeth, das hast du ja lange so gehabt, dafür ist hier eine Karo-Fünf, das ist auch nicht das große Trompetensignal, ich glaube, deine Geduld ist schon lange - viel zu lange! - strapaziert worden.« Sie blickte auf.
    »Ich denke schon«, meinte Elisabeth zögernd, »aber...«
    »Du willst sagen«, unterbrach Walburga, »dass es um deine Geduld nicht geht. Das ist bei uns Frauen immer so, dass sie behaupten, es geht nicht um sie oder um ihre Nerven oder um ihre Geduld, nicht wahr? Wie viele Jahre geht das jetzt schon?«
    Elisabeth wandte den Blick von den Karten. Durch das Fenster sah sie das Alte Schulhaus wie in einem Guckkasten. »Im Frühjahr waren es siebzehn Jahre«, sagte sie schließlich.
    »Sieben-zehn Jahre«, wiederholte Walburga Kreitmeyer, »und wie viele noch? Meinst du nicht, dass wir jetzt einmal an dich denken sollten und sehen, was die Karten dir sagen... da ist eine Pik-Zwei... kein solches Gesicht ziehen, eine Pik-Zwei ist ein kleiner Stachel, mehr nicht! Und worauf bezieht er sich? Da schau: der Karo-Junge, ist es nicht so, dass wir ein bisschen mehr wissen wollen über diesen Jungen, den die Pik-Zwei malträtiert, die ganze Zeit schon?«
    Sie legte weiter Karten. »Ein Karo-Ass, das ist bemerkenswert, es würde mich nicht wundern... Und da ist sie ja auch schon, unsere alte Freundin, die Pik-Dame!« Sie hielt inne und blickte wieder zu Elisabeth. »Wir müssen uns ja nichts vormachen - wie hatte der Junge es denn mit den Mädchen? Da sind wir Mütter ja gerne besonders ahnungslos...«
    Elisabeth zögerte. »Bastian war damals dreizehn«, sagte sie schließlich.
    »Ach! Dreien-zehn«, echote Walburga, »und du meinst, das sei ja fast noch zwölf, und da gäbe es nichts zu denken! Täusch dich da mal nicht, diese Pik-Dame hat ganz sicher ihre nicht ganz sauberen Finger im Spiel, und da kommt auch schon der Karo-König, das ist auch kein harmloser Herr, nicht für Dreizehnjährige, der Karo-Acht und der Pik-Drei ist auch nicht zu trauen, aber sieh doch - die Herz-Vier lässt nicht allzu viel zu, es sind die ganz unscheinbaren Dinge, die oft ein Rettungsanker sind, und da kommt...« Sie

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