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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Brocken, fast viereinhalb Kilogramm, das hat sie doch sehr mitgenommen, und auch für meinen Schwiegersohn ist das jetzt nicht einfach, sie ist ja auch in der Praxis eigentlich unentbehrlich.«
    Wie sich herausstellte, suchte Alma Frogesser ein Geschenk für das ältere der beiden Enkelkinder, für das fünfjährige Mädchen, »die Kleine kommt jetzt ja auch ein bisschen zu kurz«, das Geschenk sollte pädagogisch wertvoll sein und möglichst aus Holz, »aber nichts zum Basteln, da kommt sie dann immer zu mir, ich soll ihr dabei helfen... Vielleicht haben Sie etwas mit Musik, aber dann muss es etwas Klassisches sein, wissen Sie, meine Tochter Audrey hat einen sehr ausgeprägten, sehr kultivierten Geschmack.«
    Martin Jehle blickte auf. »Spielt sie noch Klavier?«
    »Nur noch selten, leider«, antwortete Alma Frogesser, »eigentlich gar nicht mehr, die Praxis und dann unsere kleine Undine, wissen Sie, und jetzt ist gar nicht mehr daran zu denken.« Sie trug das lohfarbene Haar straff nach hinten gebunden, was ihrem mageren Gesicht den Ausdruck ständiger Anstrengung verlieh.
    Jehle schlug ein Xylophon vor, stieß damit aber auf spontane Ablehnung.
    »Ein Xylophon? Ich fürchte, das macht mehr Lärm als Musik, und das ist leider das Allerletzte, was Audrey jetzt brauchen kann. Haben Sie denn nichts Elektronisches, das man dann auch ganz gedämpft einstellen kann? Es sollte aber schon vorzeigbar sein, dass man sieht, es ist ein richtiges Geschenk.«
    Jehle nickte. »Ich verstehe.« Er holte einen Katalog und schlug ihn auf. »Wie wäre es damit? Eine Liederwerkstatt, so nennt es sich, ein eigenes kleines Tonstudio für Kinderlieder, das heißt, eigentlich ist es nur ein Recorder mit einem kleinen Schaltpult und mit Kopfhörern, und über das Schaltpult kann man das Arrangement steuern... Ihre Undine könnte also zum Beispiel ›Hänschen klein‹ wählen, und dann eine zweite Stimme einfügen, einen Bass oder einen Sopran, vielleicht auch einen ganzen Männerchor.«
    »Hänschen klein mit Chorgesang? Ich weiß nicht.«
    »Im Spiel den Spaß an der Musik entdecken«, meinte Jehle, »das hat doch was... Aber ich müsste es Ihnen bestellen.«
    Alma Frogesser schien nachzudenken, aber in das Denken hinein meldete sich ein ärgerliches Maunzen, sie beugte sich erschrocken über den Kinderwagen und begann, auf den Säugling einzureden, bis dieser aus Leibeskräften zu brüllen begann.
    »Ich fürchte, es gefällt ihm hier nicht«, sagte sie. Eilig versuchte sie den Kinderwagen zu wenden, wobei sie gegen den Ständer mit den Postkarten stieß, so dass ein Teil der Karten auf den Fußboden und in den Wagen fiel. Das Gebrüll verstärkte sich, und Alma Frogesser stieß nun mit dem Wagen gegen den Zeitungsständer.
    »Das ist aber alles sehr ungeschickt hier aufgestellt«, klagte sie, während Jehle und die Auszubildende Stefanie Postkarten und Zeitungen aufsammelten. Schließlich entschied sie sich, den Kinderwagen doch rückwärts aus dem Laden zu ziehen, vorbei an einem Ehepaar, das eben zur Tür hereingekommen war, und schüttelte nur den Kopf, als Jehle - noch auf dem Boden kniend - fragte, ob er nun die Liederwerkstatt bestellen solle. Dann war sie verschwunden, Jehle machte sich daran, Postkarten und Zeitungen wieder einzusortieren, und Stefanie bediente die Eheleute, die beide beige Freizeithosen trugen, die unterhalb des Knies abgeknöpft waren. Sie erklärten Stefanie, dass sie zu den oberschwäbischen Barockkirchen wollten und eine geeignete Radwanderkarte suchten. Martin Jehle fing einen Hilfe suchenden Blick aus ratlosen blaugrünen Augen auf - was sollten Barockkirchen nun schon wieder sein? - und holte einen Kunstführer für Oberschwaben und eine Radwanderkarte und brachte sie dem Ehepaar.
    »Es gibt einen sehr schönen Radweg ins Allgäu hinauf«, erklärte er und begann das von Straßenverkehr und Tourismus unberührte - »so gut wie unberührte« - Flusstal zu beschreiben, das sich bis weit ins bayerische Allgäu schlängelt, eingesäumt zuerst von bewaldeten Hügeln und dann immer steileren Abhängen …
    »Das klingt ja alles recht nett«, unterbrach ihn der Ehemann, »und wir kommen also direkt von hier in dieses famose Tal?«
    Jehle erklärte, dass er vom Marktplatz aus nur der Hauptstraße bis zur Hängebrücke folgen und dann links den Fluss entlangfahren müsse.
    »Da brauchen wir die Karte ja nicht«, meinte der Mann, »danke, auch nicht diesen Führer. Wer mit dem Rad unterwegs ist, mag nicht so viel

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