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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sie auf den Tresen und schob sie ihm zu. Hoflach nahm die Karte und las. »Kriminalhauptkommissarin«, sagte er dann, »das klingt aber nach richtig schweren Verbrechen.«
    »Ja?«
    »Irgendwie nach Sachen, die sogar noch schlimmer sind als Parken im Halteverbot oder nass gespritzte Klavierlehrer.«
    »Ich dachte, Sie spritzen Autos nass und nicht Klavierlehrer? Das tut denen nicht gut.«
    »Sie kennen sich mit Klavierlehrern aus?«
    »Eigentlich nicht. Aber heute Abend hab ich einen getroffen, der war ziemlich verrotzt.«
    »Da meinen wir wohl den Gleichen.« Bedächtig wiegte er den Kopf. »Was soll ich wohl davon halten, dass eine...« - er betrachtete noch einmal die Visitenkarte - »eine Kriminalhauptkommissarin unserem kleinen unbedeutenden Ort die Ehre gibt? Verbrechen finden hier eher selten oder nie statt, sehen wir einmal von den Missetaten gegen den Geist des Skatspiels ab, die hier allabendlich von Trachtenverkäufern und mittelmäßigen Kommunalpolitikern begangen werden.«
    »Im Augenblick bin ich nicht an einem Verbrechen interessiert, sondern an einer Rettungsaktion«, antwortete Tamar.
    Er runzelte die Stirn. »Das wird ja richtig spannend mit Ihnen.«
    »Soviel ich weiß, sind Sie dabei gewesen«, antwortete die Kommissarin. »Sie haben vor siebzehn Jahren mit einem Schlauchboot nach einem Vermissten gesucht, nicht wahr?«
    »Respekt«, antwortete er. »Nichts bleibt unserer Obrigkeit verborgen. Ich selbst hätte es fast schon vergessen. Aber Rettungsaktion ist zuviel gesagt, ein Mitschüler war verschwunden, und drei Mädchen haben mich angestiftet, meinem Onkel sein Schlauchboot...’tschuldigung, das Schlauchboot meines Onkels zu klauen, und wir sind damit durch das Hochwasser getuckert, bis wir um ein Haar alle vier abgesoffen wären, weil das Treibholz das Boot aufgerissen hat. Doch wo die Not am höchsten ist, naht auch schon die Wasserschutzpolizei mit Lautsprecher und geschärftem Fernrohr...«
    »Und was haben Sie eigentlich gesucht? Die Leiche?«
    »Ach, das müssen Sie die Mädchen von damals fragen, eine ist übrigens sozusagen eine Kollegin von Ihnen, die Marlen Ruoff, das war überhaupt die Chefin von diesem Unternehmen.«
    »Und was haben Sie gefunden?«
    »Nichts. Geholt hab ich mir nur einen nassen Arsch und eine Tracht Prügel, denn das Schlauchboot war hinüber, und das Mädchen, wegen der ich das alles unternommen und ertragen habe, die hat jetzt das zweite Kind, aber nicht von mir... Aber sagen Sie, Miss Scotland Yard« - er beugte sich über den Tresen und sah ihr ins Gesicht - »kann es wirklich sein, dass der Fall von unserem kleinen Klavierspieler jetzt neu aufgerollt wird? Ich dachte, er hätte sich wieder eingefunden, im oder am Kopf ein klein wenig beschädigt, aber sonst noch ziemlich vollständig.«
    »Da gibt es eine einfache Erklärung«, sagte Tamar. »Da Bastian Jehle, wie wir annehmen, zurückgekehrt ist, könnte es ja Leute geben, die nicht danach gefragt oder daran erinnert werden wollen, warum und unter welchen Umständen er damals verschwunden ist...« Sie unterbrach sich und blickte Hoflach an. »Das hab ich jetzt gerade ein wenig umständlich formuliert, nicht wahr?«
    »Kann sein«, antwortete Hoflach, »ich nur waschen Autos.«
    »Also noch einmal.« Tamar beugte sich vor und fasste Hoflach ins Auge. »Falls damals jemand Scheiß gebaut hat, wollen wir das wissen. Damit er es nicht ein zweites Mal versuchen kann.«
    »Alle aufhängen!«, kreischte der Alte.
    »Jetzt hör aber auf damit«, sagte der Bürgermeister streng.
    »Dich als Allerersten«, antwortete der Alte. »Am Rathaus. Da musst du baumeln. Hin und her.« Er kicherte. Am Tisch neben ihm waren zwei Männer aufgestanden und zogen ihre Lederjacken an, die sie über die Stuhllehnen gehängt hatten. Es waren große stämmige Burschen, und dem einen hing schon der Bierbauch über die Jeans. Der dritte, etwas ältere Mann fing einen Blick der Wirtin auf und beschrieb mit der Hand einen Kreis, der die leeren Gläser der beiden anderen einbezog. Die Wirtin griff nach ihrer Geldtasche, und die beiden Burschen verließen die Kneipe. Erst jetzt sah Hoflach, dass sie Schnürstiefel trugen und die Jeans darüber aufgerollt waren. Der dickere der beiden drehte sich an der Tür noch einmal um und warf einen Blick zurück, als müsse er sich die Gesichter der anderen Gäste merken oder sich vergewissern, ob er jemandem aufgefallen sei.
    Die Wirtin ging zu dem Mann, der allein an seinem Tisch zurückgeblieben

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