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Forellenquintett

Titel: Forellenquintett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Rotweinschorle. Der Mann am Tisch daneben saß einfach da und stierte auf das Handy, das er vor sich liegen hatte, ein Betrunkener? Plötzlich blickte er auf, als hätte er gespürt, dass er beobachtet wurde, und starrte zu ihnen her, nicht zu ihm, sondern zu der Kommissarin, Hoflach konnte den Blick nicht deuten. Jedenfalls war der Mann weit entfernt davon, betrunken zu sein.
    Zum Glück ist das keiner von hier, dachte Hoflach, auch kein Tourist, vielleicht der Chef einer Drückerkolonne? Nein, so einem macht niemand die Türe auf, also waren der Mann und die beiden Burschen, die bis vorhin an seinem Tisch gesessen waren, Leute von einem Inkasso-Büro, fragt sich nur, wem sie in Aeschenhorn nachstellen würden.
    »Sie sind da also mit dem Schlauchboot den Fluss hinuntergefahren«, wollte die Kommissarin wissen, »wie ging denn das mit der Strömung?«
    »Das war nicht das Problem«, antwortete Hoflach. »Das Hochwasser war ja schon über dem Gipfel, und der See hat das Wasser zurückgestaut, da war eigentlich gar kein Fluss und also auch keine große Strömung, sondern es war einfach überall Wasser, und nicht bloß Wasser, sondern unendlich viel Treibholz, das dümpelte hin und her und drehte sich und stieß aneinander, und ich hockte hinten in dem Schlauchboot und hatte das Steuer vom Außenborder in der Hand und hab Blut und Wasser geschwitzt, damit uns keiner dieser verdammten Baumstämme aufspießt.«
    »Und die Mädchen?«
    »Die saßen vorne, und am Anfang mussten sie nur einen Stofffetzen sehen oder ein Stück Plastik oder was weiß ich, und ein einziges Schreien und Kreischen ging los... Irgendwann sind sie dann stiller geworden, und wie wir richtig draußen auf dem See waren, hat keines mehr einen Ton gesagt.«
    Die Kommissarin kippte ihren Kognak und stellte das Glas ab.
    »Entschuldigen Sie mich«, sagte sie dann und folgte an der Theke vorbei der Wirtin, die gerade in die Küche ging.
    Weiber!, dachte Hoflach und trank einen Schluck. Aber abgestandenes Weizenbier hatte er schon immer verabscheut.
     
     
     
    N och immer stapfte sie durch sandigen Moder, ohne Orientierung, irgendwohin. Hoch über ihr schrie ein Vogel, es klang fremd und seltsam verloren, aber was heißt verloren? Das war doch nur sie, die sich nicht zurechtfand, die hier im Nebel herumirrte, kopflos. Plötzlich hörte sie ein Plätschern, vor sich sah sie ein Schwanenpaar zum Wasser watscheln, das schwarz und fast unbewegt dalag, dann schwamm auch schon das eine Tier und gleich darauf das andere, das Paar steuerte auf eine Sandbank zu, die gerade noch im Nebel zu erkennen war, also war sie jetzt doch an der Aeschenmündung angekommen.
    Irgendwo hier waren sie damals mit dem Schlauchboot durch das Treibholz getuckert, nur eben höher, einen oder anderthalb Meter über ihrem Kopf, und fast war es ihr, als sehe sie im Nebel über sich schemenhaft das Boot mit den drei Mädchen und dem Jungen am Steuer, noch immer auf der Suche nach - ja, wonach eigentlich?
    Wieder wandte sie sich nach links, die Sandfläche, über die sie ging, stieg leicht an, schließlich sank sie nicht mehr ein und spürte Schotter unter ihren Schuhen, vor ihr waren Steinbrocken zu einem Damm aufgeschüttet, sie kletterte hoch und gelangte zu einem Aussichtsplatz mit einer Bank, über der unbeweglich und lauernd eine mächtige alte Weide ihre Zweige hängen ließ. Dahinter musste sich das Gebüsch erstrecken, in dem damals Bastian seine Laubhütte gebaut hatte. Sie schaltete ihre Taschenlampe ein und zwängte sich durch das Gebüsch, auf dem Boden lagen leere Flaschen und Zigarettenpackungen und anderer Abfall, sie ging tiefer hinein, aber dann wurde das Unterholz so dicht, dass sie nicht weiterkam.
    Sie kehrte auf den Weg zurück und ging ihn langsam hoch, dem Flusslauf entgegen, und leuchtete mit der Taschenlampe den schmalen, mit Bäumen und Gebüsch bestandenen Vorsprung ab, der sich hier zwischen dem Yachthafen und der Aeschemündung erstreckte. Sie tat das, obwohl sie sich klar war, dass diese Suchaktion mit jedem Schritt aussichtsloser wurde, niemand würde sich hier verstecken. Sinnlos und dumm war das, was sie tat, hatte das nicht auch schon Stefanies Mutter gesagt? Dumm im Streifenwagen herumfahren ...
    Sie blieb stehen. Sie war also Stefanies Mutter im Streifenwagen aufgefallen. Plötzlich wusste sie es. Vor knapp einem Jahr war in dem damals ziemlich neuen Terrassenbau des Säntisblick eingebrochen worden, die Diebe hatten aus mehreren Wohnungen

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