Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
konnte einem dagegen ganz anders werden.
Auf dem Platz schlossen sich ihnen Carmino und Juniper
wieder an. Sie hatten sich offensichtlich nicht an Stanwells Rat gehalten,
sondern waren doch noch in den Laden gegangen. Juniper hatte sich die
Trillerpfeifen-Xandrule gekauft. Und Carmino trug jetzt eine Kapuzenweste wie
ein Einheimischer.
„Beeilt euch, sonst müssen wir Jakobe beim Tragen
helfen!“, rief Juniper. „Sie ist gerade raus aus dem Laden – Mann, Firn, was
ist das denn? ’ne Perücke?“
„Alles für Horgest! Damit er ’ne Verabredung treffen
konnte für heute Abend!“
Eine interessante Auslegung. So viel Frechheit war
beinahe beeindruckend. Aber Firn war noch nicht fertig. „Fünfundzwanzig Küsse,
schätze ich“, sagte er und betrachtete Horgest mit einem prüfenden Blick. „Na,
jetzt nach der Rasur und allem – zwanzig vielleicht.“
Die anderen lachten. In Horgests Gesicht schoss die
Wut wie eine Fontäne. „Halt du deine Fresse!“, brachte er hervor, aber mehr
schien ihm nicht einzufallen, nicht einmal ein Fluch, der ihm vernichtend genug
erschien, und so besann er sich auf seine Fäuste. Stanwell sah das noch
rechtzeitig. „Ganz ruhig, brakka ! Mach keinen Mist!“
„Sagt das dem da, dem miesen kleinen Rumtreiber, dem
Hurenficker, diesem –“
„Horgest! Hör auf! Der Chef sperrt dich ein, wenn du
noch mal durchdrehst!“
Firn lachte. „War nur ’n Scherz, Horgest. Nicht mehr
als achtzehn! Fünf zehn, wenn du beim Abendessen die Zwiebeln weglässt!“
Horgest grunzte und lief noch röter an, und Stanwell
warf Firn einen drohenden Blick zu. „Du solltest wirklich mal die Fresse
halten, Mann. Irgendwann bringt die dich noch um.“
„Und dabei klatsch ich dann Beifall!“, zischte Horgest
und schüttelte Stanwells Hand von seinem Arm. „Lass schon los, verflucht, an
dem mach ich mir nicht die Hände schmutzig!“
Firn empfahl sich mit einer kleinen Verbeugung.
„Fünfzehn Küsse ?“, fragte Carmino. „Ist das ’ne
Redensart oder was?“
Stanwell sah ihn entnervt an. „Sagt man das bei euch
im Süden nicht? Sieben Küsse, um eine Frau zu entzünden – mehr braucht ein
guter Liebhaber nicht.“
„Und wenn du weniger brauchst, macht sie dir was vor.“
„Dann hast du ’ne kamnakuri erwischt!“, fügte
Juniper hinzu, der es ja wissen musste. „Wo habt ihr übrigens die Säcke
gelassen?“
„ Kashadiu ! Die stehen noch da oben!“
Als sie dann endlich mit Pilfasäcken und allem auf dem
Rückweg waren, taumelte ihnen ein Mann entgegen und ließ sich krachend auf den
Stufen vor der Schreibstube nieder. „Graico-Shervis issas Beste, sachich“,
nuschelte er. „Kanner alte Arsch sagen wasser will.“ Und damit verfiel er
übergangslos in lautes Schnarchen.
„Ich hab’s geahnt!“, rief Stanwell erbittert. „Und
bloß wegen euch Spinnern haben wir das jetzt verpasst!“
13. Hackebein
1
Um
bei James Geld zu schnorren, versuchte Pix am Morgen, Jakobe zu entkommen, aber
die lud ihr eine Aufgabe nach der anderen auf. Kaum hatte sie sich angezogen,
da sollte sie schon die Bettdecken aufräumen, Wasser holen und wer weiß was
noch. Während die liebe Jakobe selbst mit ihrer Schönheit beschäftigt war. Wie
jeden Morgen bearbeitete sie ihre Haare mit etwas, das aussah wie ein
Pferdestriegel. Mausbraunes Haar war das, das offen bis auf ihre Hüften
herabfiel, was man nie vermutet hätte, wenn man sie nur mit dem alltäglichen
Knoten kannte. Dann betropfte sie sich mit Zeugs aus mehreren kleinen
Fläschchen, von denen sie in ihrem Kasten eine ganze Sammlung hatte – nur um
sich dann doch wieder in dieselben muffigen Klamotten zu werfen und sich den
ewig gleichen Haarknoten am Hinterkopf zusammenzuknödeln.
Die Tropfen hatten einen süßlich-scharfen
Kräutergeruch und waren laut Jakobe hochwirksam gegen Schmutz und Ungeziefer
und sogar gegen Gelichter, aber Pix hatte schon bemerkt, wie Odette und sogar
Orla bei Sprüchen dieser Art vor sich hin grinsten. Womit klar war: Jakobe, die
den ganzen Tag wie ein Bauerntrampel rumlief und für die, wenn man Nella
glauben durfte, sowieso längst alle Züge abgefahren waren, hatte genauso ihre
Eitelkeiten wie alle anderen. Pix hatte gelegentlich Anspielungen auf Brogue
aufgeschnappt, den Kerl mit der Klampfe, aber sie konnte sich einfach nicht
vorstellen, dass jemand verzweifelt genug sein sollte, um diesem ranzigen alten
Sack gefallen zu wollen. Andererseits war er praktisch der Einzige, auf den
Jakobe es hier
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