Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
nicht
Kate.
Beim Gedanken an Kate fiel ihr zuerst das Pentagramm
ein, das die ihr geklaut und zu Geld gemacht hatte, und dann, dass das
eigentlich gar keine so schlechte Idee war. Sie hatte immer noch die Armreifen
aus Silber und zwei schwarze Lederbänder mit Metallnieten. Und vielleicht
konnte man auch den Ring mit dem Drachen eintauschen? Das Ding hatte sie sich
letztes Jahr bei einem Straßenhändler gekauft, es war vermutlich billiger Mist
und sowieso immer viel zu unbequem gewesen, um es länger zu tragen. Aber wer
weiß, vielleicht hielten die das hier für ein Amulett oder so. Mann, vielleicht
kriegte sie dafür sogar noch mehr als nur Tabak! Im Moment hätte sie ohne
Zögern zehn Jahre ihres Lebens für eine eiskalte Coke gegeben. Einfach in einen
Laden reinmarschieren, eine Kühlschranktür öffnen und die kalte Flasche
rausnehmen und dann …
Sie schluckte trocken. Zurück! Zurück nach Hause!
Irgendwo gab es doch bestimmt so was wie einen Bahnhof – einen Bus – zur Not
auch eine Pferdekutsche, die einen in die nächste richtige Stadt bringen
konnte, nicht so ein Steppenkaff wie das hier, eine richtige Stadt mit
Büros, Kühlschränken und elektrischem Licht, Autos, Supermärkten und am besten
einem Flughafen.
In diesem Moment wurde sie gerufen. Jakobe schrie nach
ihr – klar, jetzt war der Depp gefragt, der ihnen die Karre schob. Sie ging zum
Ulgullen-Wagen, wo sie rumstanden und ihr entgegensahen.
„Komm ja schon.“ Der Ring lag in ihrer Tasche im
Wagen, die Lederarmbänder auch. „Muss nur noch gerade mal an meine –“
„Ich bringe jetzt die Sachen hier zum Laden in der
Stadt und kaufe ein“, schnitt ihr Jakobe das Wort ab. „Du musst so lange bei
Orla bleiben.“
„Ich – Moment mal, was ?! Aber – aber ich will
auch in diesen Laden! Ich dachte, ich –“
Diesmal war es Odette, die sie unterbrach. „Siehst du
die Frauen da auf der Brücke? Die wollen zu mir. Für meine Arbeit brauche ich
Ruhe – ich kann dabei nicht auch noch auf Orla achten!“
„Ich aber auch nicht, verdammt!“ Es war das erste Mal,
dass Pix losbrüllte, seit sie im Ulgullen-Wagen lebte. „Ich will jetzt in
diesen Laden, ich bleib doch nicht hier, Mann! Orla ist erwachsen, auf die muss
keiner aufpassen! Und Halfast ist sowieso eben weggegangen! Es ist gar keiner
mehr da, der ihr an die Wäsche will, verdammte Scheiße noch mal!“
Die beiden sahen voll geschockt aus. „Wie kannst du
nur so daherreden!“
„Das ist mir so was von scheißegal! Bin ich vielleicht
ihr verfickter Babysitter oder was?! Ich bleib auf keinen Fall hier, verflucht!
Ich hol jetzt mein Geld, und dann geh ich zu diesem Laden!“
Nella, immer noch mit Wäscheaufhängen beschäftigt,
kriegte jedes Wort von der Show hier mit und ließ beinahe die Windeltücher
fallen. Aber Jakobe fragte nur in scharfem Ton: „Du hast Geld?“
Verdammt. Wie konnte sie nur so ausrasten … die Alte
war nervig, aber Tatsache war, sie brauchte sie. Wenn sie es sich mit Jakobe
verdarb, wer passte dann auf, dass dieser notgeile Feuerspucker sie nicht ins
nächste Gebüsch schleppte?! Mit aller Kraft riss sie sich zusammen. Versuchte
es noch mal auf die vernünftige Tour. „Bitte, Jakobe! Ich muss einfach in
diesen Laden! Ich – ich war doch seit Ewigkeiten nicht mehr einkaufen!“
„Was fehlt dir denn? Wenn wir es hier nicht haben,
kann ich dir ja mitbringen, was du brauchst!“
„Ich – ich – na ja, ein bisschen mehr – Unterwäsche
und so was, verstehst du –“
„Du hast zwei Hosen und zwei Leibchen bekommen! Wenn
du regelmäßig wäschst, kommst du damit doch aus! Nella zeigt dir, wie wir das
hier machen. Es ist ganz –“
„ Ich will in diesen gottverfluchten Laden ,
kapiert ihr das nicht?! Ich muss einfach mal raus hier – das geht euch doch gar
nichts an –“ Oh Scheiße, sie musste jetzt die Klappe halten! „Sorry. Mir ist
heiß, ich hab Durst, ich bin genervt –“
„Also, Pix – du musst hierbleiben, es geht nicht
anders. Lass dir von Raween einen Becher Tee geben, sie hat eben welchen
gekocht. Und dann ruhst du dich im Wagen ein bisschen aus, das macht Orla
auch.“ Jakobe klang beherrscht und gelassen, was Pix wider Willen beeindruckte.
Ihrer Mutter gelang das nie. Aber ihr wurde auch klar, dass sie gegen Jakobe so
keine Chance hatte. Sie biss die Zähne zusammen. Sollte sie doch gehen. Ihr
würde schon noch etwas einfallen.
3
Die
Luft über dem Graben flimmerte in der Hitze. Auf der Brücke standen
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