Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
endlich in Ruhe !
Geht das denn nicht in deinen Kopf?! Willst du sie unbedingt ins Gerede bringen
mit deinem Benehmen?!“
„Ich will nur mit ihr sprechen. Und mit dir auch,
Odette.“ Wie gesagt, er sah entschlossen aus. Außerdem auch ziemlich
melodramatisch, fand Pix. Was wollte der überhaupt von Orla?
„Wir haben längst alles besprochen, was es da zu sagen
gibt, Halfast Montagu! Und wenn du jetzt nicht –“
„ Bitte , Odette! Lass uns noch einmal darüber
reden! Hör mir noch einmal zu! Bitte!“
Es war richtig peinlich. Er bekam rote Flecken im
Gesicht – und klar, Orla sah ihn nicht mal an.
„Also, damit du endlich Ruhe gibst – dann komm eben
heute Abend, wenn ich mit der Arbeit fertig bin! Aber bring deinen Vater mit,
sonst werde ich nicht mit dir reden. Und Orla wird nicht dabei sein,
damit das klar ist! Du bringst sie ganz durcheinander – und überhaupt, dieses
Kästchen, das nimmst du wieder zurück! Du kannst der Braut eines anderen doch
keine Geschenke machen! Hast du eigentlich überhaupt keine Manieren?!“
„Gut, dann komme ich heute Abend – mit meinem Vater“,
erwiderte Halfast untertänig. „Danke. Vielen Dank. Es ist wirklich – so
wichtig!“
„Ist es nicht. Bilde dir bloß nicht ein, dass es etwas
ändern könnte!“
Nach dieser letzten Demütigung verschwand er endlich
von der Wagentür, und Pix atmete auf. Auf der Kutschbank schnatterten sie
empört los. Der war scharf auf diese stumme, öde Nuss hier! Echt ein Melodram
also! Und Orla? Jetzt, wo der Typ weg war, ließ sie die Hände auf den Teppich
sinken, an dem sie gerade knüpfte, und sah durch die offene Wagentür hinaus, wo
die rotbraune Ebene an ihnen vorbeizog. Nach heißer Leidenschaft sah das nicht
gerade aus. Pix stöhnte genervt und kehrte zu ihren Überlegungen zurück, wie
sie an Geld für Zigaretten oder Tabak kam.
2
Mittags
erreichten sie dann die Stadt, die mit ihren bemalten Dächern von weitem ausgesehen
hatte wie ein dunkelblauer See, über dem die Hitze flimmerte. Wieder
erschreckte Pix die ungeheure Fremdheit hier. Sie war noch nicht viel auf
Reisen gewesen – ihre Eltern waren dauernd mit ihren Jobs beschäftigt, da waren
Ferien auf dem Hof ihrer Tante in Wales so ziemlich alles gewesen, von ein paar
tödlich langweiligen Wochenendtrips mal abgesehen, auf die ihre Eltern sie
mitgeschleift hatten – Mailand und Rom und einmal auch Paris. Das hier, das
konnte sie einfach nicht einordnen. Vielleicht hatte der Spinner Bagratuni ja
doch Recht, und sie waren auf irgendeine unerklärliche, verrückte Weise im
Nahen Osten gelandet? Es passte nicht wirklich, zum Beispiel redeten die auch
in dieser blauen Stadt Englisch – aber es war immer noch eine bessere Erklärung
als die, die ihnen der Verrückte im selbstgebauten Wohnmobil gegeben hatte,
richtig?
Der Lagerplatz war der letzte Horror. Es stank, die Sonne
knallte herunter, überall stechendes Viehzeug. Und während Jakobe und Odette
mit Orla das Zeug durchsahen, das sie in der Stadt verkaufen wollten, wurde sie
kreuz und quer durch die Hitze gejagt, war ja klar. Kochstelle aufbauen,
Wäscheleinen spannen, Wasser holen – das war übrigens das Letzte, runter in den
stinkenden Graben zu gehen und schleimiges Wasser aus so einer Art Sickergrube
zu holen! Und darin wusch Nella dann die Wäsche!
Immer wieder mal entdeckte sie James, der mit den
anderen den ganzen Krempel für die Vorstellung aufbaute, die der Chef für den späten
Nachmittag plante. Aber sie konnte ihn nicht ansprechen und nach Geld fragen,
solange andere das mitkriegten. Da war immer der Messerwerfer in der Nähe, und
der machte ihr fast genauso viel Angst wie Horgest.
Vor dem Ulgullen-Wagen stapelten sie jetzt Orlas Werke
auf einer Art Schubkarre. Pix verzog das Gesicht. Es war ziemlich klar, wer die gleich durch die Hitze schieben durfte, oder?! Aber immerhin kam sie auf diese
Weise zu dem Laden, und in dem Laden gab es Tabak – sie hatte eben gehört, wie
der Graumähnige, der ständig am Qualmen war, bei den Jungs Tabak bestellte.
(Der hielt seinen Zigarillo immer so aufreizend beiläufig zwischen den Kuppen
von Mittelfinger und Ringfinger der rechten Hand, so, dass er wie eine weitere
Fingerspitze daraus hervorragte – es konnte einen in den Wahnsinn treiben.)
Und die Jungs marschierten gerade los. Also – Geld.
Das war jetzt das Problem, das gelöst werden musste. Anpumpen ging nicht mehr.
Klauen war eindeutig zu riskant. Außerdem auch nicht ihr Ding – sie war ja
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