Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
rosafarbenen Krabben … schauder . Das Ding zuckte im
Kreis am Boden herum. Vermutlich hatte sie ein Bein erwischt. So was von eklig!
Bloß weg hier! Odette und Jakobe konnten sich schon mal nach einem neuen
Sklaven umsehen.
Sie ging ein bisschen schneller. Es war absolut nichts
los hier. Nur sengende Hitze und der Krach von Insekten. Keine Leute, nicht mal
Hunde, Katzen oder Esel. Auf der anderen Seite des Grabens war Gestrüpp,
zwischen dem manchmal das Dunkelblau einer Hauswand aufschimmerte. Sie konnte
auch schmale Trampelpfade erkennen. Die führten zwischen den Gärten hindurch
und dann bestimmt auch auf die Straße. Irgendwer hatte vorhin gesagt, dass die
spiralförmig durch die Stadt verlief. Man musste sich also nur durch die
Jauchegrube da unten arbeiten und dann auf der anderen Seite geradeaus zwischen
den Gärten weitergehen, dann traf man schon irgendwann auf die nächste Windung
der Straße. Sie war ja nicht blöd. Und wenn sie dort – was sehr
unwahrscheinlich war – ausgerechnet Jakobe oder den anderen über den Weg laufen
sollte, dann konnte sie sich immer noch wieder zurück ins Gestrüpp verdrücken,
bis sie vorbei waren.
Es war nicht gerade lustig, die Böschung
runterzukommen, und dann wurde es noch weniger lustig. Der Gestank des
stehenden Wassers in der Sonne schlug einem hier unten direkt auf die Kehle.
Sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase und musste wieder an die
Wochenendtrips mit ihren Eltern denken. Total kulturgeil waren die. Von Mailand
und Rom hatte sie nichts als Museen und zerfallende Ruinen gesehen, in Paris
wäre sie im Louvre beinahe verhungert. Ihre Mutter, die Architektin, und ihr
Vater, der Super-Anwalt, meinten nämlich, sie müssten Kunstkenner sein.
Kunstkenner zu sein, gehörte in ihren Kreisen dazu, genau wie Kostüm, Anzug und
die Laptoptasche am breiten Schultergurt. Oder seinen Kindern grauenvolle
Vornamen zu verpassen.
Diese Art von Sightseeing hier war in ihren
Ausflugsprogrammen jedenfalls nicht vorgekommen. Ehrlich gesagt hätte sie
allerdings auch drauf verzichten können. Der Grabengrund war noch feucht, und
jeder Schritt scheuchte sirrende Wolken von Mücken und Fliegen auf. Hauptsache,
man trat nicht versehentlich in eins der übriggebliebenen Wasserlöcher!
Als sie auf einer besonders glitschigen Schlammscholle
beinahe ausrutschte, quollen darunter massenhaft kleine, rosa-grau gefleckte
Krebse hervor. Sie hätte beinahe geschrien. Die Biester wichen zur Seite, aber
dann blieben sie stehen und hoben ihre Scheren. So klein sie auch waren, das
hatte was ziemlich Unangenehmes. Sie verwarf ihre erste Absicht – nämlich
einmal fest zuzutreten und den Biestern zu zeigen, wer hier die Stiefel
anhatte. Stattdessen ging sie eilig weiter. Sah nichts mehr genauer an, bis sie
die Böschung auf der anderen Seite wieder raufgekraxelt war.
Oben angekommen, musste sie nun wohl oder übel in das
wuchernde Gesträuch eintauchen. Schon beim Anblick kribbelte es überall auf
ihrer Haut. War eine echte Mutprobe, da reinzugehen. Glücklicherweise kam sie
sehr bald auf einen Pfad. Da musste sie das Grünzeug wenigstens nicht mehr mit
den Armen zur Seite schieben. Sie ging trotzdem so schnell sie konnte und ohne
Blick nach rechts oder links voran, immer in die Richtung, in der sie die
Straße vermutete. Es reichte schon, den Mordskrach mit anzuhören, den die Insekten
überall um sie herum machten. Die musste man nicht auch noch sehen.
Diese Stadt stank . Erst der Graben, jetzt war
es dieses Garnzeugs, das die Luft verpestete. Man roch es schon, bevor man die
ersten Gärten erreicht hatte. Es war in die Matten gewebt, mit denen sie hier
ihre Gärten umzäunten. Wie konnte man es bloß aushalten, so zu leben? Und wo
waren die Leute eigentlich? Ein paar Mal hörte sie Stimmen jenseits der Zäune,
aber das war’s auch. Hielten wohl alle Mittagsschlaf. Siesta. Die Stunde des
Pan hatte man das mal genannt. Das wusste sie aus den Zeiten, in denen sie
noch Daddys allerbestes Musterschätzchen gewesen war. Lang vorbei – aber
manches blieb eben hängen.
Als wollte sie jemand verarschen, ertönte genau in
diesem Moment von weitem etwas, das wie eine quäkende Flöte klang. Es fing
immer wieder an, pausierte kurz, setzte wieder ein. Eine von diesen
Geistertuten etwa? Hieß das nun, dass da irgendwo eins dieser Wesen unterwegs
war …?
Sie war stehengeblieben, um zu lauschen, und auch,
weil sie nicht sicher war, was sie jetzt tun sollte. Und dann berührte etwas
ihren Kopf. Mit
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