Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
einem schrillen Aufschrei sprang sie zur Seite, schüttelte
sich, raufte sich panisch mit beiden Händen die Haare – aber da war nichts.
Keuchend sah sie zu der Stelle zurück, an der sie gestanden hatte, und hätte
fast wieder losgekreischt. Über den grünlichen Mattenzaun nickte dort ein
dünnes, weißes Gesicht auf einem langen, dünnen Hals herüber, mit schwarzen
Augen und einem breiten schwarzen Grinsen. Sie schlug die Hände vor den Mund.
Ihre Haut kräuselte sich vor Entsetzen.
„Verdammte Scheiße!“ Mehr als ein Flüstern kriegte sie
nicht heraus, aber sie konnte auch nicht wegsehen von dem schwankenden weißen
Ding. „Was ist das denn?“
Dann sah sie, dass gleich mehrere von diesen Stängeln
hinter der Matte aufragten, wie … wie die Stockrosen auf dem Hof ihrer Tante. Aber
das hier war entschieden eine mutierte Horrorversion von Stockrosen: lange,
knotige Stiele, über drei Meter hoch mussten die sein, fest mit etwas Weißem
umwickelt und mit schwarzen Bändern verschnürt. Und obendrauf dann diese
dünnen, idiotischen Köpfe.
Klar, bei genauem Hinsehen erkannte man, dass die aus
Stoff waren, mit aufgemalten oder vielleicht auch aufgestickten Gesichtern.
Aber das machte es nicht viel besser. Scheiße. Ihre Haut fühlte sich an, als
hätte sie feuchte Frösche darauf. Mit kleinen klebrigen Füßen. Sie konnte gar
nicht aufhören, die Stelle am Kopf zu reiben, wo das Ding sie berührt hatte –
am liebsten hätte sie sich die Haare da ausgerissen. Irgendwie das Schlimmste
war die hirnlose Art, wie die Dinger sogar noch im sanftesten Luftzug
schwankten und über den Zaun nickten. Das und dieses schwarze, tote Grinsen.
„Die müssen echt abartig sein hier“, murmelte sie.
Dann wurde ihr klar, dass sie so was in London cool gefunden hätte. Um Längen
besser als langweilige Stockrosen. Aber Fendurnen am Arsch der Welt, im Auge
von Nirgendwo war eben nicht London. Wer konnte wissen, was für
Psychopathenhirne hier hinter solchen Sachen standen!
Gelichterscheuchen – so was musste es wohl sein. Echt
krankhaft. Wenn man sich vorstellte, im Dunkeln von so was angetippt zu werden!
Allmählich kriegte sich ihr Herz wieder ein, aber sie
wollte jetzt nur noch auf die Straße, und das pronto . Also schnellstens
zwischen Zäunen und Gestrüpp hindurch, bis endlich das rötliche Band der Straße
in Sicht kam. Sekunden später stand sie atemlos am Wegrand. Verdammt. Und
jetzt? In welcher Richtung ging es zur Stadtmitte?
Ratlos stand sie da, folgte mit den Blicken der langen
Biegung, über der feiner rotbrauner Staub flimmerte. In einiger Entfernung
verschwand die Straße dort zwischen seltsam krüppeligen Bäumen. Ihrem Gefühl
nach war das Lager in der anderen Richtung. Also linksrum. Einen Moment lang
glaubte sie, eine Bewegung zwischen den Bäumen gesehen zu haben – als ginge
dort jemand auf der Straße. Und dann tutete es da auch wieder, deutlich näher
jetzt! Ihr Herz hopste und hämmerte los. Die Bluse klebte nass an ihrem Rücken.
Scheiße, sie war echt am Ende. Dieser ganze Irrsinn hier trieb sie noch in den
Herzinfarkt!
Dann riss das Tuten mitten im besten Tremolo ab.
Vielleicht hatte den Tuter der Schlag getroffen. Vielleicht hatte ihn auch die
böse Empuse oder weiß der Geier wer erwürgt. Sie hatte es jedenfalls satt.
Egal, wer da sein Unwesen trieb, egal, wem sie in die Arme rannte, sie wollte
jetzt zu diesem Laden und dann weg von hier . So stolperte sie los. Und
als sie nach ein paar Schritten wieder mit dem Schuh gegen etwas stieß, zwang
sie sich, ruhig zu bleiben. Heute würde sie kein Krebs mehr aus der Fassung
bringen. Außerdem war es nicht mal ein Krebs. Es war nur ein blöder Ast, der da
im Staub lag, ein knorriges Dings, das vermutlich von den Bäumen da vorne
runtergefallen war. Aufseufzend kickte sie ihn aus dem Weg.
5
Sie
hatten reichlich Gelegenheit, dem verpassten Fendurnen-Shervis nachzutrauern.
Als wenn Hitze und Durst noch nicht ausgereicht hätten, um einem die Laune zu
vermiesen, mussten Carmino und Juniper auch noch die ganze Zeit herumkaspern. Firn
hatte sich schon vor einer Weile abgesetzt. Juniper versuchte, seiner
Neuerwerbung, der kleinen Xandrule, eine Melodie zu entlocken, was aber
gründlich misslang. Nur furchtbar laut war sie, vor allem angesichts ihres
Miniformats.
„Klingt wie ein furzender Elefant“, kicherte Carmino.
„Ich glaub nicht, dass die hier begeistert sind, wenn
du mit der Xandrule Blödsinn machst“, meinte Stanwell. „Du hetzt
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