Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
auf!“
„Die Alte ist immerhin hier die Hausherrin – und
deshalb wird sich jeder an ihre Vorschriften halten, egal, wer sie ausspricht,
klar?“, zischte Stanwell. „Oder wollt ihr hier rausfliegen und die Nacht auf
der Straße verbringen?!“
Weil das keiner wollte, hielten sich auch die
Lästermäuler zurück, und so lief dann alles reibungslos. Der Verwalter führte sie
nach links in den Park hinein und zu einem Platz am Bach, erklärte, dass ihnen
das Wasser uneingeschränkt zur Verfügung stünde, der angrenzende Gemüsegarten
jedoch keineswegs; dass sie unbedingt den Abtritt oben beim Gärtnerhaus
benutzen müssten, aber keinesfalls Zutritt zum Badehaus hätten; dass Fängergarn
auf dem ganzen Besitz überflüssig sei wegen der Kuppel, es aber nie schade, für
alle Fälle eine Dikrana griffbereit zu haben; dass das Heckentor und die Tore
zu den Gebäuden nachts geschlossen seien und dass Onska Inglewing ihre Vorstellung
im Innenhof zu sehen wünsche – in genau anderthalb Stunden.
„Ich werde jemanden schicken, der sich der
beschädigten Deichsel annimmt“, beendete Kaploster seine Ausführungen. „Seht
zu, dass die Tiere immer angebunden sind.“ Letzteres galt wohl Mapoosa, die
sich eben in den Bach stürzte.
Erst als er sich mitsamt seinen Hunden schon wieder
auf dem Rückweg befand, entdeckten die verblüfften Peregrini den Kreis aus
Flugdrachen, der hoch in der Luft über den Gebäuden stand, und das silbrig
glänzende Netz, das sie hielten und das wie ein Schleier ringsum bis über die
Hecken hinabhing. Im ersten Moment hielt James die Drachen für große Vögel,
dann sah er ihre barbarische Bemalung in Rot, Weiß und Schwarz. Und da war auch
ein ganz schwaches Sirren und Pfeifen zu hören, genau wie bei Fängerstandarten.
„Voll der Wahnsinn, oder?“, rief Carmino.
„Eben noch rausgeschmissen – und jetzt seht euch das
hier an! Hier gibt’s sogar Himbeeren!“, brüllte Juniper vom Bachufer. „Und das
Wasser ist ganz sauber!“
„Eine Nacht ohne diesen Fängergarn-Quatsch!“, strahlte
Stanwell. „Wir können draußen schlafen!“
Der Chef kam zurück, als sie die Wagen schon im
Viereck am Bachufer aufgestellt hatten. Die Laune hatte sich gewaltig
verbessert, und auch Montagu sah jetzt beinahe entspannt aus. „So, Leute! Ich
hab Onska Inglewing unser Repertoire vorgestellt. Die Wahl ist ihr schwer
gefallen, aber –“
„Lass uns raten! Sie will den Betrunkenen Richter sehen!“, rief Lowell mit langem Gesicht.
„Nein – eher was Romantisches … Tristain und Ysolt vielleicht!“
„Die Erschaffung der Welt !“
„Was aus dem Plagen-Zyklus, das passt doch!“
Die ganze Truppe hatte auf einmal der Übermut gepackt.
Der Chef sah sich um und bemühte sich um einen strengen Blick. „Wenn ihr mich
jetzt mal ausreden lasst –!“
„Nur zu!“
„Auf den Plagen-Zyklus hab ich aber keine Lust!“,
murrte Horgest, der schon seine Füße im Bach untergebracht hatte.
„Schön, Horgest, denn den musst du auch nicht
spielen!“, erwiderte der Chef mit spöttischer Schärfe. „Du darfst heute Abend
mal wieder die Hörner aufsetzen und um dich schlagen! Wir spielen Cerf der
Brogorschlächter .“
„Da hat sie sich ja zielsicher das mit dem meisten
Aufwand rausgesucht“, meinte Brogue.
„Stimmt, aber mir soll’s recht sein. Wir haben lang genug
nicht mehr gespielt. Und ich hab den Platz oben schon gesehen, diesen Innenhof
– ich sag euch, ’ne bessere Bühne kann man kaum kriegen!“
James hatte dieses ganze Hin und Her zunehmend
verwundert mit angehört. Jetzt fragte er: „Ein Stück? Heißt das, ihr spielt
auch Theater?“
Die Männer sahen ihn nicht weniger überrascht an. „Na
klar. Ist sogar unser Hauptberuf“, erklärte Brogue.
„Was dachtest du denn? Dass wir nur Gaukler sind? Oder
Zinganoi, wie die Trupps bei euch im Süden?“, fragte Horgest abfällig.
„Mein Vorfahr Jonathan Montagu ist beim großen Helian
Dawling selbst in die Lehre gegangen.“ Zum ersten Mal hörte James offenen Stolz
in der Stimme des Chefs. „Er ist mit ihm viele Jahre durchs Land gezogen und
hat oft und oft am Hof in Edinnilor gespielt, bevor er seine eigene Truppe
gründete. Einige unserer Stücke stammen noch aus diesen Zeiten und sind seitdem
nur wenig geändert worden.“
„Fast alle spielen dabei mit. Und soweit es geht, kann
jeder sein eigenes Talent dabei einbringen“ sagte Halfast und setzte hinzu:
„Sofern man eins hat, das nicht das Gelichter anlockt
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