Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
–“
„Aber die Stücke spielen wir nur, wenn es sich lohnt –
in großen Städten oder wenn wir mehrere Tage an einem Ort bleiben.“
„Und das kommt immer seltener vor“, sagte Firn
trocken. „Außerdem sind die Leute mit den Nummern-Vorstellungen ganz zufrieden.
Vielleicht sehn sie die sogar lieber als die Stücke, weil sie die nicht mehr
kapieren.“
„Stimmt doch gar nicht!“, empörte sich Brogue.
„Stimmt doch.“
„Wie dem auch sei – es gibt sehr viel zu tun! Da fällt
mir ein – Halfast, wo du gerade wieder herumnörgelst – sie will auch die Geige
dabeihaben!“
„Was? Aber ich dachte –“
„ Die Fiedel ruft die Bleichen zum Tanz – ja,
das dachte ich auch! Aber Onska Inglewing hat anscheinend eine Menge Vertrauen
in ihr verrücktes Netz da oben! Also, ihr habt’s gehört, sie will, dass wir in
anderthalb Stunden loslegen. Ihr wisst, was das heißt! An die Arbeit!“
Und Halfast sah auf einmal beinahe glücklich aus.
7
Gestern
hatten sie ausgemacht, sich von nun an abends zu treffen, um die Ereignisse des
Tages, ihre Beobachtungen und Ideen zum Thema Rückkehr nach Hause zu
besprechen, sofern es welche gab. Hauptsache war, dass sie das Ziel nicht aus
den Augen verloren. Als James endlich aus Kriopes Wagen kam und den Hügel hinaufstieg,
wurde ihm klar, wie nötig diese Absprache war. Die vergangenen vierundzwanzig
Stunden waren so heftig gewesen – wie sollte man da noch an irgendwas denken,
das sich nicht direkt aus der Situation ergab? So hatte er sich nach seinen
ersten Nachtdiensten in der Klinik gefühlt – als wenn man sich selbst wie einer
Maschine zusieht, die alles Notwendige erledigt. Jetzt noch etwas Sinnvolles
mit Leuten wie Carmino und Pix zu erörtern, das konnte man wohl vergessen. Er
wollte sich einfach nur in eine ruhige Ecke setzen und den ganzen Mist von sich
sacken lassen. Wenn Kriope starb … wenn sie doch noch starb … dann konnte er das
nicht ändern. In den letzten drei Monaten hatte er acht, nein, neun Patienten
sterben sehen. Das gehörte eben zum Job.
Auf diesem Gut war es schön, das drang jetzt auch zu
ihm durch. Die Bäume da oben auf der Hügelkuppe kannte er nicht, aber sie
rochen gut. Man ging durch ein Tor und stand auf einem weiten, gepflasterten
Innenhof. Die Häuser, die um den Hof standen, sahen gar nicht aus wie die Orolo-Häuser,
die sie bisher kennengelernt hatten. Da gab es einen langen überdachten Gang
rings um den Hof und einen, der um den ersten Stock herumführte. Kleine Balkone
und Erker vor den Fenstern im zweiten Stock wirkten beinahe verspielt. Am einen
Ende des Hofes stand ein Badehaus, aus dem duftender Dampf in die Abendluft
drang und sich mit Essensdüften aus einer Küche mischte, die ihm geradezu
Tränen der Gier in die Augen trieben. Auf der anderen Schmalseite bauten John,
Stanwell und Juniper Kulissen auf … verrückt, dass die jetzt auch noch Theater
spielen würden!
In der Mitte des Hofes gab es ein Quadrat aus
knallgrünem Rasen, das von einer niedrigen Buchsbaumhecke eingezäunt war. Nur
Gras, sonst nichts. Und das sah aus, als dürfte es niemand betreten: Das Herzstück
dieses ganzen Besitzes, alle Halme gleich lang, grüne Speerspitzen, von den
letzten schrägen Sonnenstrahlen vergoldet … schön – verrückt, aber schön. Oder
umgekehrt. Oh, er war so müde! Er ließ sich auf einen Heuballen vor einem Stallgebäude
fallen.
„Mann, hör doch mal auf rumzuzappeln! Du hetzt uns
noch die Hunde von dieser Schwuchtel auf den Hals!“
Sie waren im Anmarsch, kein Zweifel. Das war Originalton
Pix. Er musste die Augen wohl wieder aufmachen. Da stand sie auch schon vor ihm.
„Da sind wir, ganz wie du befiehlst! Wenn du also netterweise
aufwachen könntest!“
Carmino sprang über einen Holzpfosten und landete im
Schneidersitz neben ihm. „Mach mal langsam, Alte! Er hat Stress, hast du das
nicht mitgekriegt?“
„Rat mal, was ich hab! Ich hab gerade zwanzig
Kessel im Bach gespült!“
Fragen nach dem werten Befinden erübrigten sich wohl.
Den beiden ging es gut genug, um wieder herumzuzoffen. Irgendwie sahen sie aus
wie Zwillinge, beide klein, dunkelhaarig und mit diesen blau geschlagenen
Gesichtern samt verschorften Schrammen. War eigentlich richtig komisch.
„Was gibt’s zu grinsen? So doll kann der Stress also
nicht sein!“
„Jetzt halt die Fresse, Pix. Ehrlich, so kannst du
dich nicht benehmen! Wenn du nicht willst, dass dich jeder hasst!“
„Ist mir doch egal. Ich hasse das auch alles
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