Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Rundschild und einen großen Speer. Sie waren grotesk hässlich
und furchterregend, was nicht zuletzt an der Größe der Männer lag. Sogar der
Alte war, wenn auch knochendünn und gebeugt, doch immer noch so groß wie James.
    Die Laute war gestimmt. Brogue wartete neben James,
das Instrument in der einen Hand, den Becher in der anderen. Das nervöse Auf-
und Abgehen hatte ein Ende. Auf einmal sah er völlig konzentriert aus, und der
ewige Missmut war aus seinem Gesicht verschwunden. Er nahm noch einen Schluck
Wasser, spülte ihn durch den Mund und spuckte ihn dann aus.
    Eine gespannte, aufgeladene Stille breitete sich hier hinter
der Bühne aus – das Stimmengemurmel jenseits der Kulisse rückte wieder näher.
Und endlich kam der Chef nach vorne, jetzt ganz im glänzenden
Blau-Schwarz-Silber des Stern von Montagu und mit seinem besten Hut. „James
– mit der Frau soweit alles in Ordnung? Mit Kriope?“
    „Ja“, antwortete Jakobe, bevor James etwas sagen
konnte. „Sie schläft.“
    „Gut.“ Er winkte seine Leute näher heran, um leise
sprechen zu können. Jetzt, im allerletzten Moment, kam mit unüberhörbaren
Schritten auch Horgest durch das Tor. James war ganz sicher gewesen, dass er
nichts anderes als ein Brogor sein konnte, und richtig: Dunkelgrüne Klamotten
und Stachelbänder trug er schon, und nun reichte ihm jemand einen der beiden
Echsenhelme, die noch auf der Bank lagen. Jakobe hielt ihm Speer und Schild
hin.
    „Sehr gut“, sagte der Chef. „Da sind wir also
vollzählig. Seid ihr alle so weit? Schön. Was gibt’s noch zu sagen … Horgest,
nicht zu viel Feuerpulver diesmal! Ich will Onska Inglewing nicht zum Dank den
Hof anzünden! Und ich will keinen sehen, der auf der Bühne in der Nase bohrt
oder sich am Hintern kratzt, ist das klar?“
    Jemand kicherte, und fast alle sahen grinsend zu
Juniper hinüber, der empört zurückstarrte.
    „Brogue –“, sagte der Chef.
    Brogue atmete noch einmal tief ein, dann bog er um die
Stellwand und ging hinaus. Dort nahm er still auf dem Hocker ganz vorn am
Bühnenrand Platz. Jakobe stieß James an und hielt ihren Anzünder hoch. Der
Docht brannte. James schnappte sich hastig seinen Anzünder und ließ sich Feuer
geben.
    „Also dann!“, sagte Montagu. „Denkt an das Fass
Shervis und gebt euer Bestes! Stagatro ruma !“
    „ Ruma a tosh !“, kam es zurück.
    „Jetzt! Hinter Nicholas her!“, zischte Jakobe. „Du
rechts, ich links. Erst der vordere, dann der hintere Leuchter!“
    Und dann ging der Chef hinaus, und James folgte ihm.
     
    3
    Draußen
war es schon bei Brogues Erscheinen leise geworden. Als der Chef mit gemessenen
Schritten zur Bühnenmitte ging und dann vortrat, wurde atemlose Stille daraus.
    Das Gut war groß, aber so viele Leute hätte James hier
dennoch nicht erwartet. Er konnte die vielen gespannt blickenden Augenpaare wie
ein Gewicht auf der Haut spüren, und die Anspannung der Schauspieler hinter ihm
griff auch auf seinen Magen über. Brogue hingegen hatte seinen Becher neben
sich auf dem Boden abgestellt und schien nun seelenruhig zu warten.
    James sah zu Jakobe hinüber und entzündete dann wie
sie langsam eine Kerze nach der anderen. Als die beiden vorderen Leuchter
brannten, begann der Chef zu sprechen.
    „Höret nun und sehet die schreckliche Geschichte von
Cerf, der sich gegen die Götter und ihre Geschöpfe gleichermaßen versündigte!“,
verkündete er in lautem, feierlichem Ton. „Seid Zeugen des furchtbaren
Schicksals, das ihn ereilte! Lauscht den Weisen, die Sihtric der Harfner einst
für diese dunkle Geschichte aus dunklen Zeiten fand.“
    Damit trat er zur Seite, und während die letzten
Kerzen aufflammten und James und Jakobe wieder hinter der Kulisse verschwanden,
erklangen die ersten Akkorde auf der Udd.
    „Und jetzt zu den Stangen!“, kommandierte Jakobe
leise. „Wenn ich euch gleich ein Zeichen gebe, dann ziehen wir damit die Tücher
von der Kulisse!“
    Als James den Anzünder an die Wand lehnte und sich
nach der Stange bückte, fiel sein Blick auf den Ausschnitt des Tors in der
Mauer. Dort schwebte eine düster schimmernde Scheibe hindurch. Er sah gebannt
hin, versuchte zu verstehen, was er sah, während aus dem düsteren Schimmer matter
Silberglanz wurde, als das Licht des Lämpchens die Scheibe erreichte … dann
schwebte sie über dem Wogen eines schwarzen Mantels näher und nach vorne zur
Kulisse, und er erkannte eine Maske: nur angedeutete Gesichtszüge, die in ihrer
Starrheit den Eindruck von