Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
bereitstand und jedes Wort, das sie miteinander
wechselten, sie näher und näher heranholte. Dass er so was dachte, das zeigte
doch schon, was ihre Anwesenheit bei ihm anrichtete! Er war nicht
abergläubisch. Aber wenn er jemals bei jemandem eine Aura des Desasters gespürt
hatte, dann bei dieser lächelnden, unbefangenen, freundlichen Kate!
„Hätten wir dann nicht mit der Fähre bis Parrot’s Fork
fahren können? Die Straße führt doch die ganze Zeit neben dem Fluss her.“
Mit so was nervte sie ihn dann noch mehr. Was dachte
die? Dass er zu blöd war, um selbst auf diesen Gedanken zu kommen?! „Ist
einfach zu teuer für mich. Außerdem sind wir mit dem Wagen schneller als die
Fähre. Normalerweise jedenfalls“, erwiderte er mürrisch. Klar hatte er
schlechte Laune. Seit Brekenzoil grübelte er unentwegt und ohne brauchbares
Ergebnis. Und geschlafen hatte er auch kaum.
„Du solltest mal ’ne Pause mit den Salzdingern da
einlegen. Die Kruke ist bald leer, und bei diesen Händlern da draußen
kauf ich kein neues Trinkwasser!“ Er war bestimmt nicht pingelig, aber nach dem
Makave heute Morgen hatte er kein Bedürfnis, die Qualität des Wassers zu
testen. Es waren einfach zu viele Leute unterwegs. Vermutlich füllten die
Händler ihre Kannen inzwischen am nächstbesten Wasserloch im Schilf.
„Aber die sind gut“, sagte sie und meinte die
Trockentomaten. Sie hielt ihm ein schrumpeliges Exemplar hin, an dem
Salzkristalle glitzerten. „Willst du auch eine?“
Er schüttelte nur den Kopf. Immer wenn er sie ansah,
musste er wieder an die blöde Szene abends in Brekenzoil denken. Peinlich. Aber
da war eins zum anderen gekommen, die gemeinsamen Reisetage, zusammen essen
gehen … Etwas an ihrem Verhalten war ihm zu aufmerksam geworden, zu persönlich.
Überhaupt, ihr ganzes Benehmen … unbefangen? Man konnte es auch schamlos
nennen. Es musste einfach ausgesprochen werden, dass er verheiratet war. Ihr
Zusammenreisen war eine kritische Angelegenheit, das musste sie endlich mal
kapieren. Sie konnte ihn richtig in Schwierigkeiten bringen! Aber als es dann
raus war, klang es nur idiotisch, und seitdem hatte er das Gefühl, dass sie
sich über ihn amüsierte.
Na bitte, da hatte sie ihn schon wieder von seinen
Gedanken abgelenkt. Es war einfach zu blöd.
„Wann sind wir dort – in Parrot’s Fork, meine ich?“
„Am Nachmittag, wenn es nicht noch voller wird hier
auf der Straße. Erst mal kommen wir durch Lapatte.“
Er hatte nicht die geringste Lust, ihr zu sagen, dass
sich auch in Lapatte – dem alten Lapantru der Chroniken – einer seiner
Messpunkte befand. Oder eher: befunden hatte. Als er vor einem Monat zum
letzten Mal dort gewesen war, war das tief im Gestrüpp vor der Stadtmauer
vergrabene Fluidometrion samt Aufzeichnungsgerät ausgebuddelt und offenbar von
einem der wilden Hunde hier zerlegt worden. Seitdem war das Treibsandfeld von
Lapatte unbewacht. Wenn es in der Zwischenzeit auch hier eine Nulldichte
gegeben hatte, dann würden sie es nie erfahren. Ein neues Gerät hatte er noch
nicht gebaut, weil er dazu weder Zeit noch das nötige Geld gehabt hatte.
Und ich hab auch das Gefühl, dass ich davon nie mehr
eins bauen werde, dachte er niedergeschlagen.
Ob sie es heute Vormittag überhaupt noch bis Lapatte
schaffen würden? Seit sie am frühen Morgen in Jonandru aufgebrochen waren, zeigte
die Deltastraße ein Gesicht, das er noch nicht kannte. Schon die Fähre, die sie
über den Akbarnen gebracht hatte, war überfüllt gewesen. Und heute Morgen hatte
ein ganzer Zug aus Karren, Reitern und Wanderern die Straße erreicht. Der
Großteil dieser Leute kam aus dem Karuleiru, dem Vierflüssegebiet, wie man an
ihrer Kleidung erkennen konnte: Die spitzen Strohhüte mit den Moskitonetzen
ringsum, die ihn immer an Gelichterhüte erinnerten, die Westen aus feinem,
geöltem Bast und die schwarzen Hosen mit lederverstärkten Wadenteilen oder die
„Ledersocken“ genannten, eng anliegenden Stiefel, die gegen die Schlangenbisse
in den Sümpfen schützen sollten, waren die typische Tracht der Leute da unten
im Südosten. Inzwischen quollen bei jeder Abzweigung weitere Fahrzeuge auf die
Straße. Und sie alle wollten in Richtung Parrot’s Fork – nach Norden.
Das konnte doch unmöglich das sein, wonach es aussah,
oder? Am Morgen in Jonandru hatte er die Vorstellung noch lächerlich gefunden.
Jetzt, dreieinhalb Stunden später, wusste er es besser. All diese Leute! Die
wollten abhauen. Die waren auf der Flucht,
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