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Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)

Titel: Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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Aber er konnte nichts dagegen tun, dass seine Fassungslosigkeit
immer frisch blieb, ihn jederzeit wieder überfallen konnte. Es war maßlos,
verheerend, unglaublich – dass so etwas passieren konnte. Dass es passieren
durfte. Es hatte die Koordinaten seines Lebens neu bestimmt.
    War es nicht peinlich – entlarvend , dass
ausgerechnet die Begegnung mit der einzigen feststehenden Tatsache des Lebens einen
so aus der Spur werfen konnte? Er war doch kein Kind mehr! Er studierte
Medizin! Tatsache war, er war eben doch ein Kind gewesen, bis zu dem Moment,
als der Baum im Weg gestanden hatte. Da hatte sich die Wirklichkeit bei ihm
gemeldet. Hallo, ich bin’s, die Wirklichkeit, und hier kommt eine
Gratis-Durchsage, extra für dich: Auch dein Leben, das sich so kuschelig und selbstverständlich
anfühlt, das endet irgendwann mit dem Tod! Und – Überraschung! – es endet immer damit! Für ihn, für dich, für alle! Nicht immer so spektakulär und plötzlich
wie das hier, aber es passiert auf jeden Fall.
    Nach und nach war die Vergangenheit aus seinem WG-Zimmer
verschwunden: das Skateboard, die Computerspiele, die Sammlung von Horror- und
Science Fiction-DVDs, Comics, alberne Fotos und die Pinnwand voller Kleinkram
(Kinokarten, Bierdeckel, Schnappschüsse), das selbst präparierte Frosch-Skelett
und andere ehemals kostbare Stücke aus der Schulzeit. Beiläufig geschah das,
ohne dass er darüber nachgedacht hätte. Es passte eben nicht mehr.
    Das letzte Relikt, das verblieb, war die Dartscheibe
an der Tür. Im letzten Schuljahr hatten sie angefangen, Dart-Wettkämpfe zu
veranstalten, seitdem hatte jeder von ihnen so ein Ding zum Üben. Er gewöhnte
sich an, in leeren Stunden darauf zu werfen. Nicht mehr mit dem hitzigen
Ehrgeiz wie früher. Jetzt warf er sozusagen langsam. Warf die Zeit ab. Es half
beim Lernen, beim Nachdenken und vor allem beim Nicht-Nachdenken.
    Vorsichtig hob er den Kopf von den Knien. Sein Gesicht
fühlte sich verzerrt an, aber schwindelig war ihm nicht mehr. Er musste
aufstehen und nach der sterbenden Frau sehen. Nein, das Jenseits war das hier
nicht. Kriope war der Beweis dafür. Wer würde schon im Jenseits noch einmal
sterben?

20. Eigentlich ein netter
Kerl
     
    1
    Die
Notizblätter von letzter Nacht flatterten im Fahrtwind. Ein Wind wie heißer
Atem, der die Ausdünstungen des Akbarnen mit sich brachte und immer noch mehr
als eine Ahnung von den Sümpfen im Süden. Zu feucht, um sein Hemd zu trocknen
oder gar den Teppich über der Fahrerbank. Vorhin hatte er Makave
darübergekippt, fast den ganzen Becher, als er plötzlich bremsen musste, weil
sich vor ihm wieder ein viel zu schwer beladener Karren aus einem Dorfweg auf
die Straße drängelte. Er hatte gewohnheitsmäßig nicht so genau aufgepasst –
normalerweise war ja nicht viel los auf diesen Straßen.
    Den Makave hatten sie bei einem Händler gekauft, der
mit einem Kessel auf Rädern am Straßenrand entlangzog, und verschütten war
eigentlich das Beste, was man mit diesem Gesöff machen konnte. Er schmeckte
nach dem Eselsdung, auf dem er gekocht worden war, und war nicht einmal stark
genug, einen wachzuhalten nach einer schlaflosen Nacht. Über die Sauerei
ärgerte er sich trotzdem.
    Das Getöse der Schrillwürmer aus dem Schilf links
neben der Straße, das er sonst kaum bemerkte, raubte ihm heute den letzten
Nerv. Schon drei von denen hatte er seit heute Morgen erschlagen, und dazu so
etwa zwanzig von den großen Stechmücken. Er fuhr einfach zu langsam, da
verirrten sich die Biester leicht in den Wagen. Außerdem lockte das ganze
Viehzeug, das die Deltastraße bevölkerte, sie an. Zugtiere, Lastesel, Ziegen,
Schafe, Schweine. Hühner in Käfigen. Und seine Palintegrus-Kugel war
ausgeglüht.
    Mit dem Schilf und den Schrillwürmern würde es morgen dann
ja vorbei sein. Mit gemischten Gefühlen sah er hinaus nach links, wo jenseits
des breiten Stroms mit seinen Booten und Lastkähnen die zerklüfteten grauen
Hänge des Bult jetzt deutlich zu erkennen waren. Den Akbarnen mussten sie
morgen schon wieder überqueren, wenn sie nach Orolo wollten. Er war nicht
gerade scharf darauf. Weder auf den Keberpass noch auf Orolo selbst.
    Er stopfte die flatternden Zettel tiefer in das Fach
an der Innenseite der Tür. Dann kehrten seine Finger zum Steuerknüppel zurück,
strichen über den geschnitzten Vogelkopf, der in all den Jahren glatt und
schmiegsam unter seinen Händen geworden war, ihn aber immer noch mit derselben
Freude erfüllte. Sein Wagen. Nach

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