Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
die
Custodians das Lager, das links auf der schilfgesäumten Flussaue zwischen
Akbarnen und der Straße entstand.
„Fahren Sie einfach vorbei“, befahl de Braose, als
Dorian zögerte. Die Custodians vor ihnen glotzten dem Ausbrecher entgegen –
aber es reichte ein Blick auf de Braose, und sie ließen den Wagen passieren.
Sagte das nicht genug aus über Ghist? Alle kuschten vor denen.
„Dort am Brunnen wartet mein Pferd, wenn Sie mich da
hinauslassen, Ska Inglewing –“
Ja, da stand das Biest, noch mit Sattel und Packtaschen.
Doppelt so groß wie die Esel, die ebenfalls dort an der Tränke warteten. Die
waren vor ihm genauso zurückwichen wie ihre Herren vor dem Herrn des
Ceraloc-Hengstes. Und was hatte der nun von seinem Kurzbesuch hier im Wagen?
Er hielt an und drehte sich zur Rückbank um. de Braose
hatte seinen Hut abgenommen. Das grauschwarze Haar darunter war strähnig und
verschwitzt, im Nacken zu einem kümmerlichen Zopf zusammengefasst. Wo immer der
gewesen war, in den letzten Tagen hatte er jedenfalls auch nicht anders gelebt
als all das Treibgut hier auf der Straße. Er roch auch nicht viel besser.
Dorian entspannte sich so weit, dass er doch noch eine
Frage loswerden konnte. „Ist der dritte Flüchtling eigentlich noch gefunden
worden? Der von der Kallisti ?“
„Ist er.“
„Gesund und munter?“
„Gesund, aber tot.“
„Ah. Wie die anderen beiden, nehme ich an. Also keine
Bendewikke?“
Das graue Gesicht mit dem Schatten dunkler
Bartstoppeln nahm einen zynischen Ausdruck an. „Bendewikke? Aber, Ska
Inglewing, wie kommen Sie darauf ?“
„Dachte, ich hätte so was gehört.“ Er wollte dem Mann
gerade die Wagentür neben sich öffnen, als der sich schon an der anderen zu
schaffen machte. Und bevor man es verhindern konnte, stieg er dort aus und sah
dabei Kate genau ins Gesicht.
Unten auf der Straße setzte er seinen Hut wieder auf
und hob grüßend die Hand. „Gute Weiterreise, Ska Inglewing! Bis Parrot’s Fork
dürften Sie jetzt ziemlich freie Fahrt haben. Passen Sie nur gut auf, dass Sie
nicht bestohlen werden.“
Ein fettes Grinsen unter dem Hutschatten – na ja,
eigentlich war es nur ein messerdünnes Lächeln, aber die Aussage war die eines
fetten Grinsens. Er hatte Kate erkannt. Ganz klar.
3
Er
mochte Parrot’s Fork. Die Stadt, die nach und nach um die Stelle herumgewachsen
war, wo sich der Akbarnen vor Jahrtausenden an einer massiven Felszunge
gegabelt hatte, war ungefähr so groß wie Rhondaport, aber lässiger, wacher. Sie
war gewissermaßen die Essenz der Präfektur Lalekanda, deren südwestlichsten
Ausläufer sie bildete und deren Bewohner den Ruf hatten, flinker und
beweglicher zu sein als die im behäbigen Delta.
Die Deltastraße endete im Nichts, nämlich oben auf der
Felszunge, die über den auseinanderstrudelnden Akbarnen hinausragte. Dorian
stand gern hier oben. Jedes Mal, bevor er über die Irbessunen-Brücke fuhr,
stieg er aus, ging die letzten hundert Meter hinauf auf den Forkstone und
genoss die Aussicht und das Tosen des Flussbeckens unter ihm. Rechts davon
strömte das Wasser, nun als Irbessunen, weiter ins Vierflüssegebiet hinunter,
links floss der Akbarnen langsamer, gesetzter seinem breiten Mündungsgebiet
entgegen. Die Stadt selbst, aus dem Gestein des Bult erbaut, lag wie ein
stumpf-graues Nest am Ostufer des Akbarnen, umgeben von den glitzernden Feldern
der Wasserpilfa. Vom Gartenschloss der Parrots im Nordwesten bis zur
Two-Tinkertons, der zweigeschossigen Akbarnen-Brücke, lag alles ausgebreitet
vor ihm. Im Hafen am Ostufer gingen die größten Schiffe vor Anker, die die
Flüsse Salkurnings befuhren. Unter der Brücke hindurch konnte er die Hallen,
Docks und Arbeiterunterkünfte der Tinkerton-Werft am Westufer sehen, wo alle
diese Schiffe gebaut wurden. Er liebte es, auf dem oberen Teil der Two-Tinks zu
stehen und dem Werftbetrieb zuzusehen. Nur von dort hatte man einen noch
besseren Ausblick über die Stadt als hier.
Aber er musste weiter. Es war schon Nachmittag, und er
wollte in der Stadt noch bei Juillards Werkstatt am Suq vorbeisehen und auch
bei der Poststation. Bruno Juillard nahm immer auch solche Stücke zur Reparatur
an, die er und seine Angestellten nicht wieder hinbekamen, und gab sie an ihn
weiter, wenn er auf seiner üblichen Tour in die Stadt kam. Er arbeitete dann
für ein paar Stunden in der Werkstatt oder nahm die Sachen mit. Manchmal kam
Bruno auch mit einer Idee für ein neuartiges Gerät an. Dann saßen sie schon
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