Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
mal
ein, zwei Nächte über einem Entwurf oder am Bau eines ersten Modells. Alles in
allem war Juillard eines der interessantesten Ziele auf seiner Reiseroute.
Zehn Minuten später war sein ganzer Zorn zurück. An
der Irbessunen-Brücke verlangten sie heute drei Kelvernen Zoll und noch einmal
drei für den Wagen – mehr als dreimal so viel wie sonst. Und am Stadttor wurde
er dann mit dem Wagen gar nicht erst eingelassen. Er musste ihn zähneknirschend
auf den Flusswiesen abstellen, wo schon jede Menge gestrandete Treibser
lagerten. Er packte die reparierten Gegenstände, die er bei Juillard abgeben
wollte – darunter ein hervorragendes Teleskop in einem Holzkoffer – auf einen
Handkarren und verschloss die Türen.
„Hast du keine Angst, dass dir jemand den Wagen
ausräumt? Es sind ’ne Menge Leute hier – und die paar Riegel, die sind doch
eine Kleinigkeit für jemanden, der wirklich rein will.“
Da sprach sie wohl aus Erfahrung. „Siehst du das da
oben?“, knurrte er. „Die roten Zeichen?“
Sie nickte. „Ich hab mich schon gefragt, was die wohl
sollen. Sieht nach einem astronomischen Symbol aus. Saturn oder Jupiter.“
„Jupiter! Du kennst dich mit Astronomie aus?“
Sie schüttelte den Kopf. „Und wozu soll das gut sein?“
„Ist ’n Tiffel, hab ich den Peregrini abgeguckt. Der
Jupiterblitz verbietet unbefugtes Betreten. Es wirkt“, bekräftigte er
ungeduldig, als er ihren Gesichtsausdruck sah. „Die meisten Treibser glauben an
so was. Die Piggler sowieso. Und jetzt komm, wenn du mitwillst!“
Es war schwül und drückend, vor dem Himmel verdichtete
sich schwefelfarbener Dunst, und in der Ferne konnte man über den gezackten
Gipfeln des Bult das übliche Wetterleuchten sehen. So war es in Parrot’s Fork
im Sommer meistens. Wenn kein Westwind herrschte, drang außerdem der starke, süßlich-gärende
Geruch der Wasserpilfa von den Feldern her erstickend in die Stadt. In den
Straßen konnte man kaum atmen. Trotzdem schoben sich auf dem Suq die Leute
voreinander her. Juillards Werkstatt lag auf der hafennahen Seite des
Marktplatzes, was bedeutete, dass er einmal quer durch das Gewimmel hindurch
musste. Viele Treibser waren unterwegs, die hier ganz offensichtlich nicht zu
Hause waren, sondern sich mit gehetzten Blicken zwischen den Marktständen
herumdrückten. An allen Ecken Custodians mit wichtigtuerischen Mienen. Es roch
durchdringend nach Schweiß, nach gebratenem Fleisch und in der Sonne
vergammelndem Fisch, nach faulendem Obst und verrottenden Abfällen aller Art.
Als er sich nach Kate umsah, war ihr Gesicht unter dem grünen Kopftuch – dem Tuch,
das er ihr am ersten Tag in einer verrückten Laune gekauft hatte – weiß und
schweißnass, und das erfüllte ihn mit Befriedigung. Also war auch bei ihr mal
Schluss mit dem Schmetterlingsgeflatter. Im Moment war sie sogar ganz nützlich.
Sie ging neben dem Karren her, bewahrte ihn vor dem Umkippen und vor
grabschenden Händen. Auch ohne Leibchen sah sie in ihrer Bauernkleidung ganz
wie irgendeine Frau vom Lande aus. Sie hätte seine Angestellte sein können.
Über dem Stimmengewirr war laute Musik zu hören, und als
sie sich endlich bis zur Mitte des Suqs durchgekämpft hatten, wo sich der
Schauplatz befand, sah er, dass es der Sturm von Brennaghann noch in die
Stadt geschafft hatte. Vielleicht hatten die Custodians den Peregrini-Trupp
auch hereingelassen, damit er die Leute hier bei Laune hielt. Auf jeden Fall
war das da auf der niedrigen hölzernen Bühne Leith Brennaghann, der mit seiner
Udd ein erschöpftes Publikum unterhielt. Hinter ihm stand sogar ein Wagen, dessen
Front mit schwarzem Stoff verhängt war – und er musste hier seinen
Krempel durch die Gegend schieben, weil man ihn mit dem Wagen nicht in die
Stadt ließ! Verdammte Custodians. Er blieb stehen und wischte sich den Schweiß
von der Stirn. Brennaghann hatte sein Stück beendet. Jetzt ließ sich ein großer
Mann wie ein Paket zusammenschnüren und in einen winzigen Käfig sperren. Aus
dem wollte er sich dann allein und in kürzester Zeit befreien, wie der Chef der
Truppe laut ankündigte.
„Kann man hier irgendwo was zu trinken bekommen?“
Er drehte sich zu Kate um, verkniff sich angesichts
ihrer Miene aber eine Bemerkung über gesalzene Trockentomaten. Er hatte selbst
Durst.
„Da vorn ist ein Teestand. Ich hole uns zwei Gläser.
Du passt so lange auf den Karren auf.“ Aber vorher musste er noch sehen, ob die
Peregrini die Käfigtür tatsächlich zubekamen. Der
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