Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Mann drinnen sah aus, als
hätten sie ihn auf die Größe eines Stallhasen zusammengefaltet … aber es
klappte. Triumphierend hielt der Chef den Käfigschlüssel in die Höhe und fing
dann, mit Unterstützung des Publikums, zu zählen an. Der arme Teufel im Käfig
verfiel in hektische, aber kontrollierte Zuckungen.
Es war einfach zu heiß, zu drückend, als dass das hier
Spaß gemacht hätte. Er nahm den Hut ab und fächelte sich Luft zu. Selbst die paar
Schritte zum Teestand schienen ihm zu viel verlangt. Dann ließ er den Hut
beinahe fallen. Kashadiu ! Das musste der Tag der unerwünschten
Begegnungen sein! Dort vor dem dunkelgrünen Baldachin der Teebude stand Dagomar
Christobal Larkish höchstpersönlich, in einem hellen, leichten Reiseanzug und
mit einem Strohhut auf dem Kopf, ein Teegläschen in der Hand, aus dem er
vermutlich seinen geliebten Minzetee nippte. Ganz kühle, städtische
Valdannen-Eleganz aus Rhondaport, stand er da, als fessele ihn die Vorführung
der Peregrini so sehr, dass er das Weitergehen darüber vergessen habe. Und wie
um jeden Zweifel zu zerstreuen, erschien hinter ihm jetzt auch noch Ragassinen
Nuomi, Larkishs zwei Meter großes Schmuckstück vom Stamm der Shashkelash.
Was machten die denn hier?! Er hatte nicht die geringste
Lust, mit Larkish zu sprechen. Und das war noch eine Untertreibung. Schon gar
nicht mit Kate im Schlepptau! Unauffällig verschwinden war allerdings auch
nicht mehr drin, denn der Teestand war keine vier Meter von ihnen entfernt.
„Kate!“, zischte er, ohne den Kopf zu bewegen. „Kate,
da am Teestand ist Larkish – der Mann, der dich in Rhondaport schon gesehen
hat! Der –“
„Ich weiß schon, wer. Ich hab ihn auch gesehen.“
„Guck bloß nicht hin!“
Kate hockte auf dem Karrenrand und wandte dem Teestand
den Rücken zu. Vielleicht –
„Sechzig, einundsechzig, zweiundsechzig, dreiundsechzig – und – er – ist – FREI!“, brüllte jetzt der Peregrini-Chef und winkte
aufgeregt zu dem schlaksigen Mann hin, der sich aus dem Käfig gewunden hatte
und nun lässig ein paar Strohhalme von seinem Trikot bürstete. „Meine Damen und
Herren, werte Herrschaften, einen großen Applaus für Petare Gordien, den
größten Entfesselungskünstler von ganz Salkurning! Wieder einmal hat er es
geschafft hat, seinen eigenen Rekord zu unterbieten! Dreiundsechzig Sekunden!“
„Wäre besser, wenn der dich nicht bei mir sieht!“,
rief Dorian in den Applaus hinein. „Geh einfach wieder ein Stück zurück! Wir
sehen uns dann später beim –“
„Ich glaube, der hat uns sowieso schon bemerkt.“
„Aber – aber vielleicht hat er dich ja nicht erkannt!“
„Genau. Also beruhige dich. Sag, ich wäre deine
Assistentin oder was weiß ich! Wenn der überhaupt mit dir redet. Der guckt doch
nicht mal hier herüber!“
„Hör auf, dahin zu starren!“
Aber dann sah er, dass sie Recht hatte – und auch, was
Larkishs Aufmerksamkeit von ihnen ablenkte. Die Peregrini waren zur Seite
getreten und machten Platz für einen jungen Mann in bäuerlicher Kleidung. Die
Vorhänge am Wagen wurden zur Seite gezogen, und dahinter kam eine Flagge mit
drei weißen Berggipfeln auf hellblauem Grund zum Vorschein. War ja nicht zu
glauben! Seit wann machten Peregrini gemeinsame Sache mit den Nordträumern?!
Der junge Mann begrüßte die Umstehenden und sorgte für
Gelächter, als er sich vom Chef der Brennaghanns ein Fässchen hinstellen ließ
und daraufstieg. „Könnt ihr mich jetzt alle sehen und hören?“, rief er grinsend
– und auf Graix. Vielstimmige, laute Zustimmung ringsum. Dorian sah sich
überrascht um. Von allen Seiten kamen immer mehr Treibser heran, die mussten
auf den Mann gewartet haben, sie winkten ihm zu, rückten so nahe sie konnten,
schubsten, drängelten. Custodians hielten die Übereifrigsten davon ab, auf die
Bühne zu steigen und sich dort hinzusetzen.
„Gut, aber jetzt geht’s auf Kurnais weiter!“, fuhr der
Redner fort. „Damit mich auch jeder versteht! So gut ist mein Graix nämlich
nicht!“
Wieder wurde beifällig gelacht. Der Kerl machte es
nicht schlecht. Stellte ein paar Fragen, hörte den Antworten zu und hatte die
unruhige Menge nach wenigen Minuten in der Hand.
„Euch haben Leute aufgeschreckt, die Geld machen
wollen mit eurer Angst!“ Er sprach langsam und freundlich, in einfachen,
anschaulichen Sätzen. „Ihr alle wisst, von wem ich spreche. Die Männer, die
euch erzählen, dass der Tosu Magaton an einem bestimmten Tag ausbricht,
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