Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
ihre Augen, das er immer häufiger darin
entdeckte, wenn er von seinen Ideen sprach. Und er wusste, es führte zu nichts,
die Kluft war schon zu breit. Sie verbreiterte sich mit jedem Tag, der verging.
Und mit jeder Nacht. Denn die Nächte waren der eigentliche Kern ihres
gemeinsamen Unglücks.
Er selbst hatte vor seiner Ehe ein paar flüchtige
Erfahrungen gesammelt, in Orolo und in der Unterstadt von Rhondaport. Daran war
nichts Anstößiges, er war ein Mann und, gemessen an den Bräuchen in Orolo,
sogar eher ein Spätzünder, weil er schüchtern war und nicht ganz sicher, was
Frauen von seiner auffallenden Haarfarbe und seiner ungewöhnlichen Haut halten
mochten (seine Freunde in Orolo, allesamt dunkelhaarig und braunhäutig,
spotteten mehr oder weniger gutmütig schon seit seiner Kindheit darüber). Dass
Ellie keine Erfahrungen hatte, war in Ordnung, so gehörte sich das für ein
Valdannen-Mädchen, und er akzeptierte, dass sie unberührt in die Ehe gehen
wollte. Er machte sich keine Sorgen mehr darüber; seit seiner ersten Begegnung
mit einer rotblonden, hellhäutigen Frau in einem Haus in der Rhondaporter Unterstadt
wusste er, dass mit ihm alles in Ordnung war.
Wovon er aber keine Ahnung gehabt hatte, war Ellies panische
Angst davor, schwanger zu werden. Sie wollte auf keinen Fall Kinder, jedenfalls
noch lange nicht. So unkonventionell sie sonst war, das brachte sie erst
zur Sprache, als die Situation sie dazu zwang. Kein Problem, dachte er und
sagte es auch – er brauchte bestimmt auch noch keine Kinder, und es gab
ja Mittel, keine zu bekommen. Aber als er sie mit den Dingern vertraut machen
wollte, die man in den Honighäusern unter anderem als Graico-Kappenbezeichnete,
da rastete sie aus. War entsetzt, dass er so etwas kannte, fassungslos, als er
ihr sagte, woher. Wurde wütend und schrill, weil er ihr zumutete, es damit zu
versuchen.
Sie habe gedacht, dass er anders wäre als andere, dass
er keine Zuchtstute, sondern eine Gefährtin haben wollte! Dass er mit ihr
reisen, die Welt sehen wollte!
War ja auch so! Er kapierte den Vorwurf nicht.
Sie habe gehofft, dass sie noch ein paar Jahre warten
könnten, bis –
Und da war er dann fassungslos. Meinte sie das
ernst?
Sie meinte es ernst. Sie war zutiefst gekränkt, und
auch wenn er nicht begriff, womit er sie gekränkt hatte, tat ihm das sehr leid.
Nie in seinem Leben hatte er sich so sehr wie ein Schwein gefühlt wie in seiner
Hochzeitsnacht. Er gab sich alle Mühe, sie zu versöhnen und zu beruhigen. Es
würde schon werden.
Wurde es aber nicht. Das war nicht nur Angst vor einer
Schwangerschaft. Die Sache interessierte sie einfach nicht. Sie fand es wohl
irgendwie würdelos. Ließ ihn selten genug ran, und dann hatte er immer das
Gefühl, dass sie sich über ihn lustig machte. Sie war ein spöttisches kleines
Biest. Das hatte ihm ja gerade auch gefallen. Aber jetzt –
Sie ließ ihn spüren, dass sie seine Bedürfnisse
lächerlich fand. Entsprechende Bemerkungen bekam er vor Rowland, vor ihren
Eltern, ihren Freundinnen zu hören, Bemerkungen, die bösartig und witzig waren
und hundsgemein. Das musste wohl eine Art Rache sein – wofür, fragte er sich.
Gemein werden konnte er auch, aber sie setzte das Messer mit traumwandlerischer
Sicherheit an, und sie schnitt erbarmungslos – so, als hätte er ihr wirklich
irgendetwas angetan, wofür sie sich rächen wollte.
Bis er mit den Sikkakompostern im vergangenen Jahr
plötzlich überall bekannt geworden war – berühmt wäre das falsche Wort
gewesen, berüchtigt passte schon eher – waren sie fast drei Jahre lang
irgendwie miteinander zurechtgekommen. Aber dann war Schluss damit. Sie zog mit
ihrem Buch und ihren Aufklärungsversuchen zum Thema Weltuntergang durch die
Salons, schließlich auch ganz offiziell für die Nordträumer durch die Städte,
und fand es peinlich, auf einmal als die Frau des Sikkabit -Inglewing
gesehen zu werden. Wenn sie sich jetzt sahen, hörte sie gar nicht mehr auf zu
sticheln und zu spotten. Und er giftete zurück. Seine Geduld und ja, auch seine
Liebe waren erschöpft. Das war nicht mehr die Frau, in die er sich verliebt
hatte. Bald konnten sie nicht mehr beide im selben Raum sein, ohne aufeinander
loszugehen. Mehr als einmal war er kurz davor, handgreiflich zu werden. Und er
wusste, dass sie es darauf anlegte. Das wäre ihr endgültiger Sieg über ihn
gewesen, über ihn, den Hinterwäldler, den geilen Trottel.
Nein, dachte er jetzt, als er wieder auf der Straße
stand. Wenn
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