Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
gehörte, die Aussicht von dort oben zu
genießen.
Die Upper-Tinks wurde vor allem von den Werftarbeitern
genutzt. Nachts jedoch war sie ganz in der Hand der Pelektá. Da erwachte sie zu
einem zwielichtigen Leben, in das die Custodians in der Regel nicht eingriffen.
Solange keine Morde an geachteten Bürgern geschahen, überließen sie es der
Pelektá, dort für Ordnung zu sorgen. In den Nischen hinter bestimmten
Brückenpfeilern trafen sich die Rakuutsp-Raucher, in den Morgenstunden konnte man
sie wie Leichen dort herumliegen sehen. Wenn man wollte, konnte man hier so
ziemlich alles kaufen, was man brauchte und sonst nirgends bekam, und Rakuutsp
war da noch harmlos. Wer die farbigen Tiffel hier und da an der Mauer zu lesen
verstand, wusste, was er wo bekommen würde. Er selbst hatte nie einen Grund
gehabt, sich mit der Pelektá einzulassen. Wenn er sie nicht beachtete, dann
würden sie ihn ja wohl auch in Ruhe lassen, lautete seine Maxime, und bisher
war er damit gut gefahren.
Die Brückenpfeiler waren außerdem das Revier von
Frauen, die sich hier ihr Geld verdienten – die ganz billigen, die es nicht
einmal in ein Honighaus geschafft hatten. Die mussten ihren Verdienst dann zum
größten Teil wieder an die Pelektá zahlen – schon deshalb wäre er niemals zu
diesem Zweck hier heraufgekommen. Nein, er kam nur her, um vom Westteil der
Brücke aus dem Werftbetrieb unten eine Weile zuzusehen.
Für die Pelektá war es noch zu früh, deren
Hauptgeschäftszeit begann hier erst nach Einbruch der Dunkelheit. Nur ein paar
Chavalnutten waren schon im Dienst. Während er in Richtung Westen über die
Brücke ging, kamen ihm Werftarbeiter entgegen. Er genoss den kühleren Lufthauch
so hoch über dem Fluss und beachtete die gelegentlichen Angebote nicht, die ihm
gemacht wurden.
Drei Arbeiter, die lachend zu einem der Brückenpfeiler
hinaufgestikulierten, machten ihn auf die Person aufmerksam, die dort auf der
Kante eines Pfeilervorsprungs saß.
„Jetzt machen die sich hier auch schon breit!“, rief
einer. „Das ist doch ’n Karuleiru-Treibser!“
„Bei denen kannst du die Frauen nicht mal von den
Männern unterscheiden!“
„Ich würd sowieso keine von denen anrühren. Bei denen
holst du dir nur Ungeziefer!“
„He du, willst du von der Brücke fallen? Komm mal
runter und zeig dein Gesicht!“
„Kommt doch weiter jetzt! Ich hab Hunger!“
Er hörte nicht, was die Frau dort oben antwortete,
aber er hörte ihre Stimme und sah ungläubig hinauf – das war Kates Stimme! Das
kam ihm doch bestimmt nur so vor, weil er die ganze Zeit nach ihr gesucht
hatte! Was sollte Kate hier machen – in diesen Klamotten noch dazu?
Die Männer hatten aufgegeben und gingen weiter.
Wo immer sie den spitzen Strohhut, die Weste und die
dunklen Hosen mit den Lederschäften auch herhatte, es war Kate. Es war ihre
Haltung, wie sie da gegen den Brückenpfeiler gelehnt saß, die Knie unters Kinn
gezogen – so hockte sie auf dem Wagendach, auf der Fahrerbank und überall
sonst, wenn sie nicht gerade ausgestreckt herumlag.
Es war, als wäre ein schweres Gewicht von seinen
Schultern genommen. Nur ein unangenehmes Kribbeln blieb zurück.
„Kate?“
Der spitze Strohhut drehte sich in seine Richtung,
dann wurde er abgenommen. Sie war es wirklich. Sie sah überrascht aus –
tatsächlich sogar so, als hätte es ihr für einen Moment die Sprache
verschlagen. Dann lächelte sie. „Noch nicht weitergefahren?“
„ Kashadiu , es tut mir leid.“
„Na ja. Ich hab dich ja wirklich ganz schön blöd
dastehen lassen bei deinem Professor.“
Das hatte sie. Einen Nachhall seiner Wut von vorhin
konnte er auch noch spüren. Aber stärker war die Erleichterung, sie
wiedergefunden zu haben. Sein Herz schlug immer noch so hektisch, dass er kaum
atmen konnte. Was sollte er bloß sagen?
„Wo hast du denn diese Klamotten her?“
„Getauscht.“
„Komm da weg. Das ist kein guter Platz.“
„Der Brückenstrich von Parrot’s Fork, ich hab’s
gemerkt. Aber ein toller Ausblick auf den Hafen.“
„Ja. Ich weiß. Auf die Werft auch.“
„Ich hatte überhaupt ein paar interessante Stunden.
Dein Professor hat auf einem Schiff nach Norden eingecheckt, wusstest du das?
Auf der Auregata , da unten liegt sie – man kann fast in die Fenster
reinsehen!“
„Larkish – auf der Auregata ? Woher willst du
das wissen? Das kannst du doch von hier aus nicht sehen!“
„Ich war lange unten im Hafen. Hab mich nach
Mitfahrgelegenheiten
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