Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
umgehört.“
„Also – also gut. Ich verrenke mir den Nacken, wenn
ich noch länger zu dir raufreden muss. Komm doch herunter. Bitte.“
Und wenn sie eine andere Reisemöglichkeit gefunden
hatte? Wenn sie gar nicht mit ihm weiterfahren wollte?! Na, umso besser! Umso
schneller kam er nach Orchrai!
„Oder willst du etwa die Nacht da oben sitzen
bleiben?“
„Hast du was Besseres anzubieten?“
„Ja. Du schläfst im Wagen. Und ich auf dem Dach“,
fügte er hastig hinzu. Jetzt war es doch immerhin raus – sie konnte mit ihm
weiterfahren. Genauer musste man es doch nicht aussprechen.
Sie lachte. Dann sprang sie von der Mauer herunter,
direkt vor seine Füße. Er zuckte zurück, und sein Herz setzte kurz aus.
„In Ordnung.“
Ein leiser Muskatgeruch strömte von ihr aus – das kam
von der Weste. So roch das Öl, das die Karuleirus verwendeten, um den Bast
geschmeidig zu halten.
„Erzähl mir das von Larkish genauer. Ist er wirklich
an Bord gegangen? Vielleicht wollte er doch nur jemanden besuchen.“
„Mit seinem gesamten Hausrat? Sein Diener, dieser
Riese, der hat körbeweise Bücher und Papiere für ihn reingetragen. Der Mann
wandert aus. Der ist auf dem Weg nach Norden, um da zu bleiben. Ich hab’s
außerdem von ihm selbst gehört.“
„Das ist – was, wie das denn? Du – du hast doch nicht
noch mal mit ihm gesprochen, oder?“
„Nein, beruhige dich!“ Wieder lachte sie. „Ich nicht.
Ich hatte es vor, zugegeben. Aber was glaubst du, mit wem er da im Hafen
zusammengetroffen ist – ungeplant übrigens, glaub ich?“
Er hatte immer noch Mühe, sich zu konzentrieren. Wenn
er nach einer Krönung für die absurden Zusammentreffen dieses Tages suchen
sollte – dann gab es eigentlich nur eine Antwort, oder? „Nicht etwa de Braose?“
„Genau der. Der hat sein Pferd an Bord untergebracht.“
„Ich glaub’s nicht! Aber der ist doch bestimmt nicht
auf der Flucht!“
„Nein. Er wollte auf dem schnellsten Weg nach Ghist.“
„Woher weißt du das denn?“
„Ich habe es gehört. Ich stand ganz in der Nähe, als
die beiden sich unterhielten.“
„Meine Güte, Kate, du bist wirklich verrückt! Er hätte
dich sehen können!“
„Wen? Einen Karuleiru-Treibser – unter einem spitzen
Strohhut? Von denen waren schätzungsweise zweihundert im Hafen!“
„Schlau, muss ich zugeben! Trotzdem bist du verrückt!
Man darf diese Leute nie unterschätzen. Und du bist ihm doch schon aufgefallen!
Ich sag dir, mit Ghistriarden trifft man nicht freiwillig und schon gar nicht
unnötig zusammen!“
„Jedenfalls war es ganz gut, dass ich zugehört habe.
Ich hab dabei etwas ziemlich Interessantes gehört.“
„Was denn?“
„Ich hatte so eine Art Geistesblitz – aber ich bin mir
nicht sicher, ob das nicht nur daher kommt, dass ich die ganze Zeit über diesen
Pennebrygg nachgedacht hatte.“
„Am besten erzählst du es der Reihe nach.“
„Larkish hat de Braose gefragt, ob er in Ghist Einsicht
in eine Akte nehmen dürfte – in die Dagger-Akte, sagte er.“ Sie machte eine
Pause und sah ihn an. „Sagt dir das etwas? Dagger?“
Dagger? Dolch ? Er hatte keine Ahnung, worauf
sie hinauswollte.
„Hast du nicht gesagt, der Mörder von Pennebrygg hätte
wie eine Waffe geheißen?“
Dagger! Jetzt klingelte es plötzlich in seinem Hirn.
„Ja! Du hast Recht! Kash , der Mann hieß wirklich Dagger … natürlich, wie
konnt ich das vergessen … der Digger-Dagger!“
„Der Digger-Dagger?“
„Eine Art Kinderschreck bei uns in Orolo … es heißt,
dass er nach der Dämmerung umgeht und Leute verschleppt, enthauptet, ihre
Gehirne isst und ihre Körper dann irgendwo vergräbt.“
„Und so was erzählt man in Orolo den Kindern ?!“
„Es funktioniert. Die meisten bleiben freiwillig im
Haus, sobald die Sonne untergeht. Ich hab gar nicht mehr dran gedacht, dass die
Geschichte auf diesen Kerl zurückgeht!“
„Also hat dieser Dagger Aubrey Hilarius Pennebrygg
umgebracht.“
„Ja. Ihn und eine ganze Menge anderer Leute.“ Er grub
in seinen Erinnerungen, obwohl die nun wirklich weitab von allem lagen, was ihn
im Moment beschäftigte. „Er und seine Frau … Sie hat schließlich ein Geständnis
abgelegt, wenn ich mich richtig erinnere … ich glaube, sie wurde verrückt und
ist im Siechenhaus gestorben.“
„Und er wurde hingerichtet, das habe ich heute von
Larkish gehört. Das war in Orchrai, vor zweiundsechzig Jahren.“
„Und diese Akte wollte Larkish also sehen? Na, für
seine biografischen
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