Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
gar nicht vorstellen, wie euch das
weiterbringen sollte.“
„Du gibst dich schnell geschlagen für einen
unkonventionellen Erfinder! Aber fürs Erste werde ich James einfach mal nach
Pennebrygg fragen. Vielleicht kennt er den Namen ja.“
Er war froh, dass sie das Thema fallen ließ. Alles,
was mit Ghist zusammenhing, verursachte ihm eine Gänsehaut, daran ließ sich
nichts ändern.
Der Mond hing noch irgendwo hinter dem Bult
Amburilardes. Über den dunklen, sternenlosen Himmel huschte immer noch diffuses
Wetterleuchten, tauchte für Sekundenbruchteile Wolkenbündel in bräunliches
Halblicht, die sich in der Strömung der Flüsse widerspiegelten. Aus dem Hafen
klang plötzlich Musik herauf, Fetzen einer Melodie, harte Saitenklänge, klagende
Stimmen, das gefühlsduselige Klimpern eines Akkordeons. Und über dem Bult weit
jenseits des Akbarnen rumpelte es gelegentlich wie aus dem Bauch eines
überfressenen Drachen. Seine Sachen klebten schon wieder an ihm. Und mit einem
Mal hatte er eine hungrige Vision von Kate vor Augen. Daran war doch nur
Larkishs Geschwätz schuld! Und er wollte das nicht sehen, nicht denken, da
dachte er lieber schnell an die Chavalnutte mit den schweren Brüsten zurück.
Sikka , er
hatte Mist gebaut, er hätte sie einfach gehen lassen sollen – er hätte sie
nicht mehr suchen sollen. Sie hätte ihren Weg auch ohne ihn gefunden. Sie
bedeuteten nichts Gutes füreinander, verdammt, er konnte das in der Luft
schmecken!
Eine für ihn ganz ungewöhnlich irrationale, beinahe
poetische Anwandlung überkam ihn. Er sah die Aura des Desasters wieder, sah sie
wirklich vor sich. Konnte geradezu fühlen, wie sie sich sanft auf ihn
herabließ: ein grauer, nebelzarter Schirm des Verderbens … eine Pilzspore, die
ihren Anker tief in seiner Lebenskraft versenkte –
21. Der Laternenbaum
1
Irgendwo
in der Nähe spielte eine Geige, und es klang nach Abschied, nach
traumverlorenem Schmerz. Jemand war gestorben. Adrian – er war auf Adrians
Beerdigung!
James hob den Kopf von der Wand, gegen die er gesackt
war … grauenhaftes Gefühl. Öffnete die Augen, die das gar nicht wollten.
Beerdigung – Blödsinn. Er hockte auf einer Kiste in einem dämmrigen Wagen, und
Adrian war schon lange tot.
Allmählich konnte er die Augen aufhalten, was die Übelkeit
aber noch verschlimmerte.
„Ah, bist du endlich wach?“
Jakobe, an Kriopes Lager, drehte sich zu ihm um,
eindeutig wenig begeistert von dem, was sie sah. Ging ihm nicht anders. Bevor
er sprechen konnte, musste er erst einen Mundvoll Säure hinunterschlucken. „Ist
sie tot? Wie geht es ihr?“
Ihr so überraschend üppiger Mund verzog sich
spöttisch. „Wach auf, Hakemi! Sie hat ein wenig Wasser getrunken. Jetzt
wechsele ich ihre Verbände und versorge die Wunden noch einmal mit
Nittichwurzelbalsam. Vielleicht nimmst du in der Zeit mal ein Bad im Bach!“
Bestimmt nicht. Ihm war auch so schon kalt genug. Den
Vorschlag an sich konnte man ihr allerdings nicht übelnehmen. Er stank.
„Nicht den Kopf“, krächzte er – Mann, seine Kehle war
so verätzt, dass er kaum sprechen konnte. „Ich meine … mach nichts an ihrem
Kopf, lass auch die Verbände dran!“
„Jaja, schon gut, der Hakemi bist du, ich weiß. Also
werde ich ihren Kopf nicht anrühren.“ Sie senkte die Stimme. „Ich glaube
übrigens, dass sie nicht mehr sehen kann.“
Er grunzte bestätigend. Es war ihm schon vor ein paar
Stunden aufgefallen, als ihr Stöhnen ihn geweckt hatte. Zu seiner Überraschung
war sie da wach und bat mit kaum hörbarer Stimme um Wasser, hatte auch wirklich
etwas getrunken. Aber das Auge, das nicht zugeschwollen war, war blicklos
geblieben, die Pupille starr, und das Weiße hatte sich rot verfärbt.
„Sie bleiben hier, hat der Chef gesagt. Diese seltsame
Frau will sie aufnehmen.“
Wieder grunzte er. Bloß nicht noch mehr reden.
Taumelnd stand er auf, tappte zur Leiter. Draußen dämmerte es erst. Eine Welt
in blassem Grau, als wäre man im Innern einer Muschel. Erinnerte ihn plötzlich
an den Morgen auf dem Feld am Wokkentop. Lange her.
Immer noch Gegeige. Halfast musste irgendwo am Bach
sitzen. War wohl glücklich, dass er endlich mal wieder spielen durfte. Warum
zum Teufel spielte er dann Beerdigungsmusik?!
Seine Zunge fühlte sich an wie rissiges Leder. Nie
wieder Trukvister! Das Zeug hatte ihm auch noch Albträume beschert und seinen
Schlaf zu einem Spießrutenlauf zwischen alten Schrecken gemacht. Das nahm doch
allmählich überhand mit den
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