Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Seine
Hände fummelten nur sinnlos an den kleinen Fängern herum, die Karnellenschädel
grinsten ihn an. Die lachten ihn aus.
Er musste ja doch wieder da hinauf. Und ewig an ihr
vorbeigucken konnte er auch nicht. Komm schon, denk an Oona. An – an Rowland, den
arroganten Sack! Über den kann man sich doch immer aufregen! Oder an Emberlend.
Vielleicht sollte man noch was essen. Vielleicht
normalisierte das die Lage wieder. Gute Idee. Im Moment war seine Kehle zwar
wie zugeschnürt, aber egal. Er würde schon was runterkriegen.
„Was hältst du davon, wenn wir ’ne kleine Pause machen
und was essen?“ Er hatte sich den Satz sorgfältig zurechtgelegt, und deshalb
kam er ohne weitere Versprecher heraus.
„Ich seh mal nach, was noch da ist“, rief sie von
drinnen zurück.
Als er ihre Stimme hörte, wusste er, dass auch sie wirklich da war und dass das vorhin wirklich passiert war. Und dass er ihr
unmöglich gegenübersitzen und essen konnte, Mann, es fühlte sich an, als würde
er gleich einen Herzanfall bekommen, so was gab es, den alten Verwalter
zuhause, den hatte so was mitten am Tag auf dem Feld erwischt, und er war
umgefallen wie ein toter Käfer –
Lass es!, dachte er, das kann nicht gut sein, das kann
nicht in Ordnung sein! Wenn sie doch nur nicht so –
Schließlich stieg er die beiden Stufen hinauf,
langsam, jede einzeln, und seine Hand war kalt und klamm, als er die Tür
öffnete. Kate war gar nicht in der Fahrerkabine, die wühlte hinten im Wagen
herum. Er ließ sich kraftlos auf seinen Platz fallen.
6
Der
Korb mit den Vorräten stand vorne, aber sie war trotzdem nach hinten gegangen.
Sie musste einen Moment nachdenken. Es war klar, dass er das da draußen auch tat.
Von wegen Karnellen fängsen.
Besser – besser wäre es wohl, ihn in Ruhe zu
lassen.
Sie hatte keine Ahnung, wie das hier war mit der Ehe,
aber er schien sich ja ziemlich schwer damit zu tun. Klar war, dass
One-Night-Stands in Salkurning entschieden nicht zum guten Ton gehörten,
jedenfalls nicht mit Frauen, die man dafür nicht bezahlte. Mit denen hatte er ja anscheinend keine Probleme.
Sie lehnte sich an das Bücherfach neben seinem
Schreibtisch. Gegenüber war die Tafel, auf der immer noch die Skizze des
Inglewing’schen Zeppelins zu sehen war. Auf dem Kasten darüber lag ein dickes
Notizbuch. Direkt daneben hing die Hängematte, er nutzte den Kasten als
Nachttisch. In der Matte, einem dichten Gewebe aus dunkelblauem Wollstoff, lag
nur ein kleines flaches Kopfkissen in knallbunten Farben. Das hatte er letzte
Nacht mit aufs Wagendach genommen. Das und die Flasche Grals.
Die Fahrertür schlug zu, zaghafter als sonst. Er war
zurück.
Sie konnte einfach nicht tun, was besser war. Etwas in
ihr war schon vor Tagen in Schwingung geraten, und jetzt bebte die ganze Welt
in ihr. Das konnte nur er wieder in Ordnung bringen. Er hatte damit angefangen.
Und da saß er, da vorne, und raufte sich die Haare.
Damit hörte er zwar auf, als sie herankam, aber er sah sich nicht zu ihr um.
„Und, ist noch was zu essen da?“, fragte er und
räusperte sich.
Armer Dorian. Die eine Hand blieb sozusagen in seinen
Haaren stecken. Sie trat zwischen die beiden Bänke, hinter ihn, und beugte sich
über seine Schulter.
„Und, alle Karnellen gefängst?“, fragte sie.
Er bewegte sich nicht, wandte nicht einmal den Kopf.
Sie war ihm so nahe, dass sie sein Haar riechen konnte, und darin einen Hauch
von der Mandelseife, die sie in den Badehäusern ausgaben. Zu nah. Da war sein
Nacken dicht vor ihr, das kragenlose Hemd, nach hinten verrutscht, gab den
Blick frei auf gefleckte, rot überbrandete Haut. Drei Mückenstiche. Vier.
Kringlige Haarsträhnen darüber. Einfach zu nah. Man geriet ins Trudeln und
stürzte ab.
„Wirklich Brot und Käse?“, fragte sie. Und sah von der
Seite, wie er die Augen schloss. Kapitulierte.
Sie berührte seinen Nacken mit den Lippen, und er
zuckte zusammen. Die Haut war so zart, wie sie aussah, und glühte unter feinen
Schweißtropfen immer noch im Sonnenbrand. Mit Mund und Nase schob sie sein Haar
zur Seite. Wo Schulter und Hals ineinander übergingen, fühlte sie seinen Puls
unter ihren Lippen schlagen.
Sekundenlang hielt er still. Dann griff er nach
hinten, seine Hand in ihrem Nacken, und drehte sich zu ihr um.
Seine graubraunen Augen sahen fragend in ihr Gesicht,
ein prüfender Blick – aber dann küsste er sie schon, bevor der zweifelnde
Ausdruck seine Züge verlassen konnte. Und hörte auch nicht mehr
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