Forlorner (Salkurning Teil 1) (German Edition)
Aber ich sag euch, die kommt mir nicht in den Wagen, bevor ich
mir nicht ihr Speiwasser angesehen und die Karten über sie gelegt habe! Ich hab
genug von euch Krampern hier! Flüchtlinge aus dem Süden, ha! Mit euch stimmt
irgendwas nicht! Und mit dieser Pix haben wir schon ein faules Ei im Wagen, wer
braucht da noch eine von der Sorte!“
„Vielleicht kann sie euch ja helfen, auf Orla aufzupassen“,
meinte Aruza versöhnlich.
„Die und auf meine Orla aufpassen? Aruza, hast du
nicht gesehen, was das für eine ist?! Die ist doch eine Gefahr für –“
„Leise jetzt! Da drüben sind die beiden, sie und der
Inglewing! Und wenn’s der Chef gesagt hat, dann müsst ihr es wohl tun!“
„ Kashadiu ! Seid froh, dass euer Wagen schon so
voll ist, sonst hättet ihr sie am Hals!“
„Ich muss jetzt Nella suchen – langsam mache ich mir
Sorgen! Sie wird doch nicht allein ins Dorf gegangen sein, was meint ihr?“
„Was sollte sie da?“, fragte Jakobe, während Odette
auf den Chef losdampfte, der eben aus seinem Wagen trat.
Mann, das war die reine Seifenoper! Kate konnte einem
leidtun. Andererseits hatte er so das Gefühl, dass das Gift der beiden Frauen
ihr nichts anhaben würde. Wie die jetzt da drüben neben Inglewing und dem Chef
stand! Ließ den Reparateur reden, hielt den Blick gesenkt, tat so, als wäre sie
gar nicht da. Wo hatte sie die letzten beiden Nächte verbracht, wenn nicht in
seinem Wagen?
Pix und Orla kamen zurück, und diesmal sah Orla ihn an
und lächelte. Es war schon seltsam. Immer wenn er sie sah, ging es wie ein
Glockenschlag durch ihn hindurch – aber er war doch bestimmt nicht in sie
verliebt. Nicht einmal wirklich scharf auf sie, außer in seinen Träumen
vielleicht, aber da machten ihn auch andere Frauen an, an die er tagsüber nicht
einmal dachte. So war das eben mit Träumen.
Sie war mit Pix bei den Frauen am Feuer
stehengeblieben, und er nutzte die seltene Gelegenheit, um sie genauer
anzusehen. Es waren ihre Bewegungen, die ihn berührten, dieses Langsame,
Traumverlorene. Und diese langen Haare … er wusste, wie sie sich anfühlen
würden, wenn man den Zopf auflöste und mit beiden Händen hineingriff.
Ein Aufschrei durchstieß wie ein Pfeil das Gelächter,
in das Firn, Stanwell und Juniper eben ausgebrochen waren. Aruza stürmte auf
die Gruppe beim Chef zu.
„Komm mit, Pix! Komm, erzähl meinem Vater, was du uns
gerade gesagt hast!“, rief sie, und als er ihre Stimme hörte, wusste er, dass
der gute Teil des Morgens vorbei war. Jakobe, die sich sonst immer überall
hineindrängte, schien diesmal nichts mitzubekommen, sondern warf nur grunzend
die nächste Mistel auf den mickrigen Haufen, den sie ihm zugeteilt hatte.
James ließ sie mit dem Grünzeug allein. Er wusste nicht,
was er zu Orla sagen wollte oder sollte, aber das war auch egal, denn hier
würde sie sowieso nicht antworten. Während er aufs Feuer zu schlenderte, strich
er sich flüchtig das Haar mit den Händen zurück und hoffte, dass er nicht ganz
so aussah, als wäre er gerade erst aus dem Bett gefallen. Orla war jetzt ganz
allein zurückgeblieben, und als er neben ihr stehenblieb, wandte sie sich ihm
zu. Ihre Augen hatten wirklich die Farbe von hellem Bernstein, jedenfalls jetzt,
in der Morgensonne. Und der Zopf lag mit einer verheißungsvollen, üppigen
Schwere über ihrem Rücken, die ihn eindeutig anmachte. Am Tag genauso wie im
Traum.
Der Geruch von verbranntem Zemmes störte die
angenehmeren Empfindungen. Die Kelle! Die war Aruza wohl in die Glut gefallen.
Er hob sie auf, betrachtete unschlüssig den verkohlten Getreidebrei daran und
wusste nicht wohin damit. Orla nahm sie ihm ab und ließ sie in den Wassereimer
neben dem Feuer gleiten. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, rückte
einen kleinen Schritt näher an sie heran und streckte die Hand gerade so weit
aus, dass das lockige Ende ihres Zopfes seine Finger berührte.
„Geht es dir gut?“, brachte er schließlich heraus und
sah sie an, obwohl er keine Antwort erwartete, zumindest nicht in Worten.
„Sie ist weg!“, heulte Aruza auf. „Sie ist
weggelaufen! In diesem Land!“
„Sie wollte bloß zu diesem Tulsa!“ Pix hörte sich an,
als müsste sie sich verteidigen. „Sie wollte gar nicht abhauen. Nur ihren Mann
da besuchen.“
„Was? Nella ist –“
„Sie ist weg, ja! Nach Tulsa, zu Eske! Hat sie dir was
davon gesagt? Hat sie irgendwas –“
Stanwell, der hastig an James und Orla vorbeigestürmt
war, fluchte los, auf eine Art,
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