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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken
Autoren: William R. Forstchen
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erwiderte er leise.
    »Mir wird immer klarer, um wie viel mehr ich dich liebe«, flüsterte sie. »Andrew, Gott sei Dank lebst du noch.«
    »Wo ist Emil?«
    »Im nächsten Zelt. Warum?«
    »Ich muss mit ihm reden.«
    Sie verstummte, als wusste sie Bescheid. Dann fragte sie: »Wie schlagen wir uns? Ich habe den ganzen Tag lang verschiedene Dinge gehört, aber ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
    »Bring mich zu Emil«, entgegnete er leise.
    Sie ergriff seine Hand und führte ihn ins nächste Zelt, wo Emil gerade eine Operation beendete. Er hatte einen Pfeil aus der Brust eines Jungen entfernt, brachte nun einen Verband quer über die Wunde an und wusch sich die Hände, während ein Assistent das Verbinden der Wunde zu Ende führte. Emil schaute auf, erblickte Andrew mit Augen, unter denen dunkle Ringe der Erschöpfung prangten.
    »Wir müssen reden«, sagte Andrew.
    Emil bedeutete ihm zu warten. Der Assistent und ein Offiziersbursche hoben die Bahre an und trugen sie aus dem Zelt. Emil folgte den beiden, kehrte wenige Augenblicke später zurück und zog die Zeltklappe hinter sich zu.
    »Wie schlimm ist es?«, wollte Emil wissen.
    Andrew blickte zu Kathleen und versuchte, die Worte zu formen, konnte es aber nicht.
    »Es ist vorbei, oder?«, fragte Kathleen leise.
    Andrew nickte. Worte brachte er nicht heraus.
    Emil stieß geräuschvoll den Atem aus und setzte sich auf einen Stuhl in der Ecke.
    »Und Sie sind hier, um mir zu sagen, dass ich die Verwundeten töten soll.«
    Andrew zögerte. Irgendwie wünschte er, Kathleen wäre nicht anwesend, und wollte ihr sagen, sie sollte gehen. Abermals schaute er zu ihr. Um ihre Lippen spielte ein trauriges Lächeln. Keine Tränen, Seelenpein oder Hysterie, nur eine gewaltige, verborgene Kraft.
    »Selbst wenn morgen alles endet, war es den Versuch wert«, flüsterte sie, kam zu ihm und schlang einen Arm um ihn.
    Er nickte und küsste sie auf die Stirn.
    »Zumindest wird Maddie noch eine Weile in Sicherheit sein«, murmelte sie. »Allein das war es schon wert.«
    Andrew versuchte, nicht an seine Tochter zu denken, zumal er wusste, wenn er es täte, wäre das sein Ende. Er musste seine Gedanken konzentrieren. Er wandte die Aufmerksamkeit wieder Emil zu.
    »Sie wissen, wie viele Verluste wir erlitten haben. Ich habe weniger als dreißigtausend kampftaugliche Männer übrig und nicht einmal genügend Munition, um einen weiteren Tag zu überstehen. Die Artillerie ist fast erschöpft. Beim ersten Angriff morgen werden sie unsere Linie durchbrechen. Und dann …«
    Seine Stimme verlor sich.
    »Mein Gott, Emil, Sie wissen, was sie mit den armen Männern da draußen anstellen werden«, sagte er und nickte in Richtung des Wahnsinns vor dem Zelt.
    Emil griff zu einem Beistelltisch. Mit zittrigen Händen schenkte er sich etwas zu trinken ein und goss es in einem Schluck hinunter.
    »VierzigJahre lang habe ich versucht, Leben zu retten, und jetzt sagen Sie mir, dass ich all diese Menschen töten soll.«
    »Emil, Sie wissen, wie die Merki sie leiden lassen würden.«
    Der Arzt nickte. »Scheißtiere.« Er schaute zu Kathleen auf und schämte sich unwillkürlich für seine ordinäre Wortwahl.
    »Oh, dem pflichte ich voll und ganz bei«, flüsterte sie mit dem Ansatz eines Lächelns auf den Lippen.
    »Im Morgengrauen stelle ich ein Regiment für dieses Lazarett ab. Wir haben ein paar zusätzliche Revolver, außerdem haben Ihre Offiziersburschen Waffen. Verwundete, die noch kämpfen können, sollten zurück an die Front geschickt oder hier als Wachen postiert werden.
    Ich habe den schriftlichen Befehl in meiner Brusttasche. Meine Adjutanten wissen, dass er sich dort befindet, sollte mir etwas zustoßen. Ich werde ihn nur schicken, wenn ich sicher bin, dass es vorbei ist, keinen Augenblick früher. So wahr mir Gott helfe, bei dieser Geschichte möchte ich keinen Fehler begehen. Aber falls Sie hier zuerst überrannt werden, wissen Sie, was Sie zu tun haben.«
    Mit immer noch zitternden Händen nickte Emil.
    »Gibt es noch eine Chance?«
    Erneut blickte Andrew zu Kathleen.
    »Es gibt immer eine Chance«, flüsterte er. Sie erwiderte seinen Blick und erkannte die Wahrheit.
    Andrew wandte sich wieder Emil zu. »Danke für alles, Dr. Weiss – für Ihre Freundschaft, Ihren Rat.« Kurz setzte er ab und klopfte sich auf den leeren Ärmel. »Und für mein Leben.«
    Er ließ Kathleen los, trat vor und ergriff Emils Hand.
    Der alte Arzt lächelte und schüttelte leicht den Kopf.
    »Nächstes Jahr in
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