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Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken

Titel: Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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Wasser. Während er den noch zuckenden Leichnam betrachtete, wurde ihm klar, dass der einsame Merki sich dem schlammigen Tümpel mit derselben Absicht wie er genähert hatte.
    Er blickte über die Schulter. Eine alte Frau kauerte mit zitternden Händen hinter einem Baum.
    »Guter Schuss, Mutter«, sagte er und kroch in ihre Richtung.
    Immer noch zitternd öffnete sie klickend den Geschützverschluss des Sharps-Karabiners und legte eine weitere Kugel ein. Diesmal dachte Chuck daran, dasselbe zu tun.
    Träge, aber stet hallte der Donner von Kanonen durch den Wald. Es war schwer zu sagen, was genau vor sich ging. Das Gefecht war zu einem wahnwitzigen Gewirr kleiner Gruppen verkommen, die jagten und gejagt wurden. Zu seiner Rechten hörte er von unten am Fluss regelmäßigeres Donnergrollen. Ein Nachzügler hatte ihm mitgeteilt, dass das Erste Korps den Durchbruch verschloss.
    Das war schön und gut, doch in den Wäldern konnten sich immer noch hunderte, vielleicht tausende der Bastarde herumtreiben.
    Er musterte den einzigen Soldaten seiner gesamten Einheit, mit dem er noch Kontakt hatte.
    »Olga, richtig?«
    »Ja, Exzellenz.«
    »Ich bin keine Exzellenz, verdammt.«
    »Nein, Exzellenz«, gab sie mit einem matten Lächeln zurück.
    »Das war wirklich ein guter Schuss. Danke.«
    »Es war mir eine Ehre, ihn zu töten«, sagte sie und bedachte ihn mit einem zahnlosen Grinsen.
    »Tja, dann holen wir uns noch einen.«
    »Sie haben andere Arbeit zu tun«, widersprach sie. »Wir kümmern uns hier um die Dinge. Sie gehen schleunigst zurück und setzen diesen Zug in Bewegung, bevor es zu spät ist.«
    Andrew ging durch den Lazarettbereich und bemühte sich, Ruhe und das Gefühl zu vermitteln, dass irgendwie alles unter Kontrolle und der Sieg noch möglich sei.
    Die Welt hatte sich ein einen Albtraum verwandelt. Er wusste, dass um die dreißigtausend Männer verwundet worden waren. Weitere zehntausend waren bereits tot, und tausende andere wurden vermisst.
    Die Armee als Kampfverband war am Ende. Das Dritte und Vierte Korps zusammen ergaben nicht einmal mehr eine volle Brigade. Vincents Sechstem ging es wenig besser, Schneids Zweites hatte die Hälfte der Männer verloren, Marcus’ Siebentes fast genauso viele. Es war ein Chaos, und hier wurde er mit den Nachwehen konfrontiert, den verstümmelten, von der Schlacht ausgespuckten Überlebenden. Im Laternenlicht wirkte das Bild wie eine zum Leben erwachte Radierung eines Dürer-Albtraums. Gliederlose Menschen lagen in Reihen um Reihen nebeneinander. Er lief durch eine Station mit Bauchverletzungen, mit Männern, die Emil, Kathleen oder zwei, drei andere Arzte mit genügend Zeit vielleicht zu retten vermocht hätten, nun aber zum Sterben zurückgelassen wurden, weil die Zahl der Verwundeten so überwältigend hoch war.
    Er bahnte sich den Weg durch die Zelte und hielt gelegentlich inne, wenn eine Hand zu ihm empor griff und ihn packte.
    »Wir haben es ihnen heute ordentlich gezeigt, nicht wahr, Colonel?«
    Zur Antwort nickte er stets und lächelte.
    »Wir werden gewinnen, nicht wahr?«
    Auch darauf lächelte er stets.
    Dann griff ein junger, auf dem Boden liegender Mann zu seinem Arm empor. Andrew schaute hinab. Das Gesicht wirkte vertraut, stammte aus dem alten 35.
    »Billy, wie geht es dir?«, fragte Andrew leise, blieb stehen und kniete sich auf den blutigen Boden.
    »Nicht gut, Colonel«, flüsterte der Junge.
    »Ich habe deine Brigade heute kämpfen sehen. Du hast dich tapfer geschlagen, Sohn, sehr tapfer.«
    Der junge Brigadier lächelte matt.
    »Ich habe Angst, Sir«, flüsterte er.
    Andrew wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, zumal er bereits die Kälte in die Hand des jungen Veteranen kriechen spürte.
    »Was soll ich tun?«
    Andrew senkte den Kopf.
    »Erinnerst du dich an zu Hause, an die Erde?«
    Traurig lächelte Billy.
    »Erinnerst du dich noch an das Gebet zum Einschlafen, das deine Mutter dir beigebracht hat?«
    Billy nickte.
    »Sprechen wir es gemeinsam.«
    Die Stimme des Jungen glich kaum einem Flüstern, und Andrew stimmte darin mit ein.
    »Müde bin ich, geh zur Ruh’ …«
    Nachdem die Hand des Soldaten aus der seinen gerutscht war, beendete Andrew das Gebet alleine.
    Er zog die Decke über den Kopf des Leichnams und hörte ein Weinen hinter sich.
    Es war Kathleen.
    Sie wischte sich die Tränen ab.
    »Der arme Junge. Bis du gekommen bist, hat er immerzu nach seiner Mutter gerufen.«
    »Die meisten rufen nach ihren Müttern, wenn es zu Ende geht«,

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