Forstchen, William R. - Das verlorene Regiment Bd. 4 - Den Feind im Nacken
wieder in Ordnung.«
Andrew lächelte traurig. Er hatte gesehen, wie Marcus Vincent festhielt. Da er aber außerstande gewesen war zu helfen, hatte er sich still und heimlich wieder zurückgezogen.
Er setzte sich in Richtung des Feuers in Bewegung. Das Landhaus hatte als Ankerpunkt für das Dritte und Vierte Korps beim Versiegeln des Durchbruchs der Linie gedient. Der Boden war immer noch gepflastert mit toten Merki. Ein brüllendes Feuer loderte vor dem zerstörten Gebäude. Immer mehr Männer strömten herbei, viele mit verbundenen Verletzungen. An der Wand lehnten die Gefechtsstandarten, und als Andrew sich näherte, hielt er inne, um sie zu betrachten. Stolze Flaggen, die der Regimenter von Suzdal, Kev, Novrod, Murom und Vazima. Alte Namen des uralten Russlands, nun auf dieser Welt, eine Armee durchdrungen von der Tapferkeit und den Traditionen der Armee vom Potomac. In der Mitte erblickte er die Farben des 35. Maine, der Männer der Einheit, die eingesetzt wurde, um beim Verschließen des Durchbruchs zu helfen, und er hatte bereits weitere Namen leise ausgesprochen gehört, Namen von Männern, die sich nie wieder bei einer Anwesenheitsüberprüfung melden würden.
Er ließ den Blick über die versammelte Runde wandern und sah viele seiner Kameraden der ersten Stunde. Auf einer Seite erspähte er Gates mit dem Skizzierblock in der Hand, als wollte er tatsächlich eine weitere Zeitung herausbringen, daneben Bill Webster, nicht mehr der Finanzplaner des Landes, sondern für diesen Kampf wieder in den Rängen. So viele vertraute Gesichter.
Einige Männer kamen mit einem Tisch aus dem Haus, den sie vor dem Feuer abstellten, gefolgt von Gregory, nunmehr Befehlshaber eines Korps, das kaum mehr als eine Brigade darstellte. Aus seiner Miene sprach verkniffene Entschlossenheit. Er stieg auf den Tisch und hob die Hände, um die Menge zum Schweigen zu bringen.
Andrew stellte sich in den hinteren Bereich. Marcus blieb neben ihm, und alte Freunde aus dem 35. scharten sich um ihn. Er spürte wieder die alten Bande zu Kameraden aus solchen Zeiten. Gleichzeitig zeichnete sich der erste fahle Schimmer zurückkehrender Kraft ab, obwohl er mit grässlicher Gewissheit wusste, dass es zu Ende war, dass am nächsten Morgen alles vorbei sein würde. Abermals schaute er in die Gruppe, deren Gesichter im Feuerschein leuchteten, und er verspürte einen Bund der Liebe und Kameradschaft, der einen Augenblick lang all den Schmerz überlagerte.
»Ich habe euch, meine Kameraden, gebeten, euch hier einzufinden«, begann Gregory, »weil ich mit euch allen reden möchte. Mit euch, meinen Brüdern aus dem Dritten Korps, und mit all euch anderen, die sich hier in diesem Kreis versammelt haben.« Er setzte ab, ließ den Blick über die Menge schweifen und wartete kurz, da angelockt durch Neugier immer mehr Männer von anderen Teilen der Front herbeiströmten, bis sich über tausend eingefunden hatten.
»Ihr und ich, wir haben auf vielen Feldern gekämpft«, fuhr er mit lauter, deutlicher Stimme fort. »Und heute Nacht wissen wir, dass wir Brüder sind. Unsere Tradition reicht zurück in die umwölkte Vergangenheit. Wir haben zahlreiche Schlachten miteinander geschlagen, angefangen bei Antietam.«
Andrew rührte sich und sah die wenigen in seinem Umfeld an, die einst auf jenem verzweifelten Feld gestanden hatten.
»Und dann Gettysburg und die Wildnis. Jetzt hier an der Furt …« Dabei nickten die Männer aus Rus. Er zählte eine lange Ehrenliste auf und brachte sie alle durch die gemeinsame Erinnerungen Schmerz und Ruhm einander näher.
»Und nun sind so wenige von uns übrig, um sich dem größten Kampf von allen zu stellen.«
Die Männer rings um ihn schwiegen. Kurz senkte er den Kopf, dann schaute er mit schimmernden Augen und hoch erhobenem Haupt wieder auf.
»›Zum Tode ausersehn, sind wir genug
Zu unsers Lands Verlust; und wenn wir leben,
Je kleinre Zahl, je größres Ehrenteil.‹«
Lächelnd blickte Andrew zu Gates hinüber. Gregory, ein Rus-Bauer, zitierte aus Henry V. Unwillkürlich berührten ihn die Worte.
Die Stimme des jungen Mannes hallte durch die Nachtluft wie ein Fanfarenstoß. Die Versammelten schwiegen und blickten mit im Feuerschein glänzenden Gesichtern zu ihm empor.
»›Der heutge Tag heißt Crispianus’ Fest:
Der, so ihn überlebt und heim gelangt,
Wird auf dem Sprung stehn, nennt man diesen Tag,
Und sich beim Namen Crispianus rühren.
Wer heut am Leben bleibt und kommt zu Jahren,
Der gibt ein Fest
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