Forstchen, William
wirst vermisst. Du hast mir selbst erzählt, dass schon Gerüchte kursierten, die Merki und Bantag würden anfangen, Gefangene zu nehmen. Das wird deine Frau jetzt denken und glauben. Und außerdem wird etwas in ihrem Herzen ihr sagen, dass du noch lebst. Glaube mir, ich habe das schon erlebt.«
»Ich spreche jede Nacht mit ihr«, sagte Gregori. Hans sagte dazu nichts, denn in der Stille der Nacht hatte er die geflüsterten Gespräche gehört, das Murmeln anderer in der Unterkunft, die zu ihrem Gott oder ihren Göttern beteten, weinten, mit den Lieben sprachen und träumten, sie wären zu Hause.
»Siehst du? Genau das ist es. Denkst du nicht, dass sie es spürt? Hast du nicht gespürt, wie sie zu dir sprach? Dir von eurer Tochter erzählte?«
Gregori nickte. »Zunächst jedes Mal. Aber inzwischen kommt sie mir fern vor. Ich weiß kaum noch, wie sie aussieht, abgesehen von den Augen, die unter ihrem Haar hervorlugen, dem Parfüm, das sie immer getragen hat.«
»All das kommt zurück«, sagte Hans und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Und außerdem möchte ich einen Platz in der ersten Reihe haben, wenn du wieder auf die Bühne steigst und Heinrich V. gibst.«
Gregori unterdrückte die Tränen und versuchte zu lächeln. »Wir wenigen, wir glücklichen wenigen, wir Schar von Brüdern …«
Nachdem die nun die Gießerei in voller Länge durchschritten hatten, bis zur Ostwand, wo die Hämmer und Walzen montiert waren, wo das frisch gegossene Eisen zu Schienen geformt wurde, drehten sich die beiden um und machten sich auf den Rückweg. Hans erstarrte auf einmal.
»Da kommt etwas auf uns zu«, verkündete er leise.
Karga war schon im Werk, gefolgt von einem halben Dutzend Wachleuten. Im Zentrum der Fabrik angekommen, drehten sie sich um und schritten die Reihe der Öfen entlang. An jedem Ofen wurde Karga kurz langsamer und zeigte mit dem Finger, und einer der Wachleute zog einen Arbeiter heraus.
Hans beschleunigte seine Schritte. Er sah, wie eine Späherin an Nummer vier ein Taschentuch hervorzog, sich das Gesicht abwischte und damit Ketswana das Signal gab. Die Geste schien zu reichen, um Kargas Aufmerksamkeit zu wecken, und er deutete auf die Frau. Ein Wachmann packte sie.
Sind sie uns auf die Schliche gekommen?, fragte sich Hans. Er stählte sich innerlich und wahrte ein bedächtiges Schritttempo. Obwohl er schon vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen war, dass Karga keine Gedanken spüren konnte, war Hans doch von seiner angeborenen Vorsicht dazu konditioniert worden, wachsam zu sein.
Karga war schon auf Höhe von Nummer drei und betrachtete die Arbeiter. Lässig deutete er auf einen der Männer, und die Wachleute zogen den Mann aus der Gruppe.
»Liegt ein Problem vor?«, fragte Hans. Als Karga sich zu ihm umdrehte, verbeugte er sich tief.
»Vielleicht.«
Hans richtete sich langsam auf und erblickte Kargas wölfisches Grinsen. »Kann ich mithelfen, das Problem zu lösen?«
Der Bantag schüttelte den Kopf.
»Ich dachte, es könnte interessant sein, mit diesen Leuten zu reden.« Dabei deutete er beiläufig mit dem Peitschengriff auf die entsetzte Gruppe der Ausgewählten. »Danach werden sie in eine andere Fabrik geschickt.«
Hans warf den Leuten einen kurzen Blick zu. Die Frau stand mit gesenktem Blick da, die Kiefer entschlossen zusammengepresst. Sie war die Ehefrau eines Carthaspähers an Nummer vier.
Ketswana traf Anstalten herüberzukommen, aber mit einer kaum sichtbaren Handbewegung hielt Hans ihn zurück. Karga bemerkte die Geste trotzdem und blickte Ketswana neugierig an.
»Vielleicht sollte er auch mitkommen.«
»Er ist Vorarbeiter am Ofen. Falls er fehlt, geht die Produktion möglicherweise zurück.«
Karga stand einen Augenblick lang nur da, als dächte er über etwas nach. »Sein Mann hier müsste uns vorläufig genug sein.«
»Und darf ich fragen, wohin sie gebracht werden? Sie stehen unter einem Schutzversprechen.«
Karga warf den Kopf zurück und lachte. »Oh, sie werden nicht sterben, darauf kannst du dich verlassen!«
Kargas Blick wanderte zu Gregori weiter. »Ich denke allerdings, dass du auf deinen jungen Assistenten verzichten kannst.«
»Ohne ihn kann ich nicht arbeiten«, feuerte Hans zurück.
»Ist er ein guter Assistent?«
»Ich könnte mir keinen besseren wünschen.«
»Dann wird es vielleicht Zeit, ihm an anderer Stelle mehr Verantwortung zu übertragen.«
Hans bemühte sich, gelassen zu bleiben. Er wusste: Sobald diese Leute erst aus dem Lager gebracht worden
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