Fortunas Odyssee (German Edition)
ganze Haus. Als sie schließlich in der Küche waren, fragte Mama diskret, warum sie nicht zur Arbeit in die Kaffeeplantage geschickt worden war. Sie kannte schon die Antwort, die sie erhalten würde.
»Seu Genésio hat es so angeordnet.«
Esperanza brachte sie anschließend zu Genésios Mutter, die seit der Hochzeit ihres Sohnes die Fazenda verwaltete. Dona Ágata war deutscher Abstammung, eine stämmige Frau mit blauen Augen und einer tiefen Stimme. Sie lachte selten, so wie ihr Sohn.
Esperanza trat zuerst ins Zimmer und rief anschließend meine Mutter. Die Frau stand auf der Veranda und schaute auf die weit entfernte Kaffeeplantage, in der es von Menschen, die emsig ihrer Arbeit nachgingen, wimmelte. Überall sah man Leute, die Körbe und Säcke schleppten und Karren, die beladen wegfuhren und leer wieder zurückkehrten. Menschen erschienen und verschwanden in den unzähligen Reihen der Kaffeebäume mit ihren roten Früchten. Diese Früchte wurden neben dem Nachbarhaus von einer anderen Arbeitsgruppe mit großen Rechen auf ein weitläufiges Gelände verteilt, um in der Sonne zu trocknen.
Dona Ágata warf ihr einen verächtlichen Blick zu und ließ ihren Blick wieder über den Horizont schweifen. Mama hielt für einige Sekunden ihre Hand zum Gruß ausgestreckt und ließ sie wieder zurückgleiten. Esperanza schaute zu ihr, als wolle sie sich entschuldigen, dabei zwinkerte sie ihr zu.
‹Sie ist nur eine alte Schreckschraube. Warum willst du ihr die Hand geben?› ‹dachte ich.›
Sie verließen das Zimmer, und Mama gab den Tieren Futter, zuerst den Hühnern. Sie nahm einen Maiskolben und strich mit einem Messer die Körner ab, die auf den Boden fielen und die Aufmerksamkeit der Hühner weckten. Sie amüsierte sich, wie sie angerannt kamen, um die Körner gierig aufzupicken. In der Scheune nebenan stand eine handbetriebene gusseiserne Mühle, mit der die Körner zu einem gelblichen Mehl gemahlen wurden, das für die Küken bestimmt war.
Während die Körner auf den Boden fielen, näherte sich eine Gans, die offensichtlich Streit suchte, und zwar mit Mama.
Ich weiß nicht, warum diese Gans auf meine Mutter losging, aber sie tat es mit einer solchen Vehemenz und unter solchem Geschrei, dass Mama rückwärts in ein Blumenbeet fiel. Da lag sie nun mit den Beinen nach oben, mitten zwischen Dahlien und Nelken.
Ein junger schlanker und kräftiger Mann mit muskulösem Oberkörper und markantem Blick kam herbei und streckte ihr seine Hand aus. Sie erhob sich mit rotem Gesicht.
»So eine dumme Gans!«, sagte sie mit gespieltem Zorn.
»Ist alles in Ordnung, Madame?«, fragte er, während er sie mit seinem Blick von oben bis unten musterte.
»Alles klar, danke«, erwiderte sie selbstsicher und rückte ihr Kleid zurecht.
Bevor er sich zurückzog, verbeugte er sich wie ein Untergebener vor seiner Königin.
»Stets zu Ihren Diensten.«
Sie verrichtete weiter ihre Arbeit, aber sein Blick ging ihr nicht mehr aus dem Sinn.
Bevor sie das Mittagessen servierte, erklärte Esperanza ihr, dass Dona Ágata im Hinblick auf die millimetergenaue Anordnung des Silberbestecks ausgesprochen pingelig war. Die Kristallgläser funkelten in den Sonnenstrahlen, die durch das offenstehende Küchenfenster einfielen.
Als Dona Ágata eintrat, standen die beiden Frauen stramm wie Soldaten.
Sie stolzierte mit erhobenem Kinn durch die Küche, wobei sie sich mit einer Hand auf einen Stock stützte und mit der anderen ihr Kleid glattstrich, als sei es eine Uniform.
Esperanza hatte schon auf einige Marotten dieser Frau hingewiesen, und Mama verhielt sich dementsprechend. Der wichtigste Punkt war, dass zu dieser Stunde nicht gesprochen werden durfte.
Ich sah, wie Mama alles tat, um es ihr Recht zu machen und dabei weder Dank noch ein Lächeln, sondern nur eisige Blicke erntete.
Natürlich erkannte ich, wie unangenehm diese Situation war, und hätte am liebsten auf den Teller dieser arroganten Hexe gespuckt. Später entschuldigte sich die Magd bei Mama, als sei sie es gewesen, die sich so grob verhalten hatte. Mama meinte dazu:
»Ich hatte einen deutschen Großvater, deswegen kenne ich ein wenig ihre Art. Manchmal scheint es, als hätten sie Angst vor Fremden; sie öffnen sich nicht, als fühlten sie sich bedroht. Sie sind ernst und introvertiert, aber fleißig und ehrlich, und sie stellen hohe Anforderungen - auch an sich selbst.«
»Das stimmt, aber sie ist ein guter Mensch«, versuchte Esperanza einzulenken.
»Ja, das glaube ich, aber
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