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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
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schweißgebadet auf, obwohl die kalten Nächte den Winter ankündigten. Schließlich bekam er noch eine Lungenentzündung, die ihn zwei Wochen lang ans Bett fesselte. Die Behandlung war teuer und musste in der Hauptstadt durchgeführt werden. Obendrein gab es nicht mehr den großzügigen Bürgermeister, der meiner Familie hätte helfen können, und Mama musste für alles allein aufkommen. Sie gab Papas letzte Ersparnisse aus und verkaufte noch einige Wertsachen aus dem Haus, um Freds Gesundheit zu garantieren – zumindest seine körperliche.
    Seine schulischen Leistungen ließen stark nach und er wurde von schweren Depressionen heimgesucht.
    Das erlebte Trauma hatte aus ihm einen kranken Jungen gemacht, und Mama brachte ihn zu einem Psychiaterehepaar, das in der Stadt nach einem Grundstück suchte, um eine Klinik zu errichten. Als die beiden bemerkten, dass die Stadt für ihre Pläne nicht geeignet war, zogen sie wieder weg und nahmen mit Mamas Einverständnis meinen Bruder mit sich. In dieser schwierigen Zeit war es für Mama eine Erleichterung. Sie hatte weder Geld noch Zeit, denn sie hatte eine neue Arbeit gefunden.
    Die ganze Stadt war über den Tod des Pfarrers, dessen Leiche auf dem Fluss trieb, geschockt.
    »Der arme Padre Benedito, er war ein Engel!«
    »So einen Tod hat er nicht verdient.«
    »Ich bin so traurig über den Tod unseres lieben Pfarrers, aber Gott hat ihn zu sich geholt.«
    Solche und ähnliche Sätze hörte ich bei der Totenwache. Dieser Tod wurde von der ganzen Stadt bedauert, abgesehen von meiner Familie und von Bitu, der das Geheimnis der Belästigungen aus Angst vor der Gesellschaft und der Kirche für sich behielt. Über solch ein Thema offen zu sprechen, hätte damals in dieser Stadt zu einer Steinigung führen können.
    Ich schaute auf den Sarg, der von Kirchenleuten umgeben war, die ihn von der Bevölkerung trennten. Jeder Gläubige durfte nur eine Minute lang an den Sarg treten, denn Tausende von Menschen wollten ihn ein letztes Mal sehen. Es gab Tumulte, Menschen, die in Ohnmacht fielen, Ehrungen. Es gab verzweifelte Klagen und sogar Vorschläge, diesen Pädophilen Pfaffen heiligzusprechen.
    Nur meine Familie und Bitu kannten den wahren Grund seines Todes. Mama bat uns, mit niemandem darüber zu sprechen. Bitu vertraute sich nur Fred wegen der Belästigungen an, die er erlitten hatte. Seine Mutter erfuhr erst viel später von den schändlichen Taten des Pfarrers – durch einen Brief, den Bitu kurz vor seinem Selbstmord an sie geschrieben hatte.
    Er hatte nie verstanden, warum er in einem Seminar gelandet war. Sein Onkel, zu dem er gezogen war, hatte es nie verkraftet, dass es ihm nicht vergönnt war, Pfarrer zu werden. Mit der Absicht, seine Seele zu retten, schickte er seinen Neffen dorthin und meinte, damit ein gutes Werk zu tun. Weit weg und ohne irgendeine Nachricht seiner Mutter wurde der Jugendliche von zwei Pfarrern missbraucht und bekam infolgedessen tiefe Depressionen. Bartolomeu – das war Bitus richtiger Name – zog es vor, sich das Leben zu nehmen, anstatt eines in Angst und Schande zu führen, indem er sich immer so verhalten musste, als sei nichts geschehen. Er wollte nicht mehr die Verbrechen der Männer decken, die ihn sexuell missbrauchten und dabei noch als »rein« angesehen wurden. Diese Monster hatten ihm seine Würde entrissen und seine Stimme im Namen der Kirche und ihres Rufes zum Schweigen gebracht. Der Brief wurde dem Onkel überreicht, der erst Monate später den Mut aufbrachte, ihn seiner Schwester Kitéria – Kita Klatschtante – auszuhändigen.
    Bitus Leiche wurde nach Madrigal geschickt, wo er unter den böswilligen Kommentaren der Bevölkerung begraben wurde, wobei es ihm nicht gewährt wurde, im Familiengrab im Stadtfriedhof bestattet zu werden. Seine Leiche kam in ein Massengrab, das für Selbstmörder vorgesehen war.
    »… ich dachte, sie seien wie Väter für mich, aber am Tag, als sie mich zum ersten Mal berührten, erkannte ich, dass sie Scheusale waren, Feinde, gegen die ich mich nicht wehren konnte. Ich hatte immer darauf gesetzt, dass diese missratenen Vertreter der Kirche irgendwann ihren Funktionen enthoben werden, ich habe Jahre darauf gewartet, aber Gott hat es nicht getan. Warum befreit Er uns nicht vom Übel? Warum sind unschuldige Kinder Opfer derer, die in Seinem Namen sprechen? Wenn Gott es zulässt, dass das Böse in Sein eigenes Haus gelangt, um zu täuschen, Kinder zu missbrauchen und die ekelhaftesten Sünden zu begehen,

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