Fortunas Odyssee (German Edition)
Finger, als wolle er sagen: »Sieh dich vor!«
Mama arbeitete viel und hoffte, Dona Ágata im Haus nicht über den Weg zu laufen. Sie fand, das Leben habe ihr bereits reichlich unangenehme Erfahrungen beschert. Aber sie täuschte sich in der Hoffnung, ihr nicht zu begegnen, denn, obwohl die Frau einen Stock zum Laufen benötigte, war sie überall anzutreffen, schaute auf die kleinsten Details und überhäufte sie mit Fragen. Als Mama ihr Zimmer putzen wollte, beklagte sie sich über den Lärm, den der Besen beim Kehren machte. Als Mama den Besen durch einen Putzlumpen ersetzte, meinte sie, der Holzboden könne verfaulen. Wenn Mama das Fenster öffnete, ordnete sie an, es zu schließen; wenn Mama es schloss, wollte sie, dass sie es wieder öffnete.
Einmal ließ sie absichtlich Geld auf der Kommode liegen, nur um meine Mutter auf die Probe zu stellen. Ein anderes Mal verstreute sie Juwelen auf ihrem Bett und ging spazieren. Mama überstand alle diese Prüfungen, denn ihre Würde war nicht käuflich.
Da sie den Absichten ihres Chefs misstraute, wunderte sie sich nicht, als der Mann kurz vor ihrer Rückkehr zur Stadt plötzlich auftauchte. Esperanza bekam einen Schreck, als sie ihn ankommen sah und versicherte, dass er an diesem Wochentag normalerweise nicht zur Fazenda kam.
Er setzte sich auf die Veranda mit dem traumhaften Ausblick, von der man auch das große Gelände, auf dem die Kaffeebohnen trockneten, sehen konnte. Er lud Mama ein, einen Kaffee mit ihm zu trinken, was sie nur annahm, um ihren Job nicht zu verlieren.
Er zeigte ihr seine Ländereien, indem er mit dem Arm in verschiedene Richtungen deutete und dabei von Größenordnungen sprach, die sie sich nicht vorstellen konnte. Als Esperanza erschien, um noch mehr Kaffee und Plätzchen anzubieten, warf Mama ihr einen flehenden Blick zu, um sie nicht mit dem Patron allein zu lassen. Ihre Hände schwitzten, ihr Mund zitterte und Sekunden erschienen ihr wie Stunden.
Nach einiger Zeit rief er Rufino, und der Vorarbeiter brachte sie zurück in die Stadt.
Als sie am nächsten Tag den Eingangsbereich des Hauses fegte, erschienen zwei Kinder und überreichten ihr einen Blumenstrauß. Sie bedankte sich und fragte die Kinder nach ihren Namen.
»Dianna und Nereu«, antwortete der Junge, und sie sagte: »So, und jetzt geht spielen. Sucht Hühnereier hinter dem Haus. Los, auf geht’s!«
Mama lächelte dem attraktiven jungen Mann zu, der ihr gestern geholfen hatte. Er senkte zum Gruß respektvoll den Kopf.
»Ihre Kinder haben schöne Namen.«
»Das sind meine Geschwister. Er ist zehn und sie ist sieben.«
Sein tiefer Blick schien sie zu lähmen.
»Oh, sie sind hübsch.«
»Wir sind drei Geschwister, Esperanza ist unsere Mutter. Sie kennen sie schon.«
»Ah, ja.«
»Wir wohnen hier seit vier Generationen.« Er schaute beim Sprechen in alle Richtungen. Dann sah er sie wieder an: »Herzlich willkommen, Frau…?«
»Tyanna«, antwortete sie und drückte den Besen an ihren Körper. »Und wie heißen Sie?«
»Kaluga«, sagte er und beugte sich leicht nach vorne, um sich zu verabschieden.
Sie betrachtete voller Bewunderung seinen kaum bekleideten, muskulösen Körper.
An diesem Tag versuchte sie immer wieder, ihre Gedanken von Kaluga abzuwenden, aber es gelang ihr nicht.
Eines Tages jagte Fred uns einen Riesenschreck ein. Er wollte nicht aufstehen und blieb den ganzen Tag im Bett. Er wollte kein Bad nehmen, aß fast nichts und antwortete kaum auf Terezas Fragen. Als meine Mutter nach Hause kam, schüttelte sie ihn leicht, um zu sehen, ob er reagierte.
Am nächsten Tag kam Aristeu, untersuchte ihn mit seiner gewohnten Geduld und empfahl einen Besuch bei dem neuen Arzt, der sich kürzlich hier niedergelassen hatte.
Tereza ging mit ihm dorthin, weil Mama Angst hatte, sie würde ihren Job verlieren, wenn sie fehlte.
Doktor Afonso, ein Psychiater, diagnostizierte eine von Depressionen begleitete Schizophrenie, die »untersucht werden müsse«.
Mein Bruder besuchte von da an regelmäßig seine Sprechstunden und sein Zustand besserte sich ein wenig, aber er war nicht mehr in der Lage, weiter in die Schule zu gehen. »Unaufmerksamkeit, Schläfrigkeit, Konzentrationsschwäche und scheinbar unmotivierte Weinanfälle« waren die Beschwerden der Klassenlehrerin, die die Direktorin dazu veranlassten, uns zu Hause zu besuchen. Nach einem Gespräch mit meiner Mutter wurde vereinbart, dass Fred vorübergehend nicht in die Schule gehen solle, um sich besser behandeln zu
Weitere Kostenlose Bücher