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Fortunas Odyssee (German Edition)

Fortunas Odyssee (German Edition)

Titel: Fortunas Odyssee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliane Reinert
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ein Brief unter dem Türschlitz hindurchgeschoben, diesmal von Dr. Afonso. Er gab neue Nachrichten von Fred, und er brachte seinen Stolz über dessen Entwicklung zum Ausdruck. Mein Bruder war von verschiedenen Psychiatern untersucht worden, deren Spezialgebiet die Schizophrenie war. Ihr gemeinsamer Befund war, dass Freds geistiger Zustand gut war und er keinerlei Zeichen dieser Krankheit aufwies. Außerdem schrieb er, dass Fred zwar gelegentlich traurig über die Abwesenheit seiner Familie war, er sich auf der anderen Seite intensiv seinem Medizinstudium widmete und dort hervorragende Leistungen erzielte. Er schloss seinen Brief ab, indem er seinen Wunsch bekräftigte, sie bald zu besuchen. Allerdings sei er mit seiner Klinik so beschäftigt, dass er im Moment keine Zeit habe. Er versprach, bald wieder zu schreiben.
    Kurz darauf traf ein Brief von Terezas Vetter ein. Er schrieb, dass es ihr gut gehe, was nicht nur in ihrem Gehalt, sondern auch im Vertrauen, das ihr täglich entgegengebracht wurde, zum Ausdruck kam. Ihre Chefin war zufrieden und suchte bei ihr immer wieder Rat in persönlichen Angelegenheiten. Tereza war begeistert von der Stadt und besuchte häufig Feste, die für Alleinstehende im fortgeschrittenen Alter veranstaltet wurden, die so genannten »Bälle der einsamen Herzen«.
    Der Vetter hob hervor, dass Tereza, die auf Nachrichten von ihr, Fred und Tim wartete, ihn gebeten hätte, ihr Folgendes zu schreiben: »Wann schreibst du uns mal?«
    Beide Briefe wurden Mama aufgerissen überrecht, und sie war wütend auf den Patron. Tage später fragte sie ihn, ob nicht auch ein Brief ihrer Schwägerin eingetroffen sei, was er kurz verneinte, um anschließend das Thema zu wechseln.
    Mama erfuhr von Bitus Tod und erschien zur Beerdigung. Kita war untröstlich und konnte nicht fassen, dass ihr Sohn so etwas hatte tun können. Erst Monate später erhielt sie von ihrem Bruder seinen Abschiedsbrief und erfuhr die traurigen Beweggründe.
    Tage vergingen, und Mama wollte unser Haus aufsuchen, um zu sehen, ob sie dort vielleicht Briefe von Tante Geórgia fände. Sie kam nicht auf die Idee, dass einer eventuell unterschlagen worden war.
    »Ich war heute Morgen dort und habe nichts gefunden,« log Genésio.
    »Ich glaube, ich gehe zum Postamt, um mich zu erkundigen. Vielleicht ist der Brief zurückgeschickt worden, weil der Postbote bemerkt hat, dass das Haus unbewohnt ist.«
    »Ich selbst erledige das für Sie«, unterbrach er sie. »Und wenn Sie Briefe verschicken wollen, kann ich das gleich miterledigen.«
    »Danke, Seu Genésio.«
    Am nächsten Tag gab sie ihm drei Briefe, die natürlich nie abgeschickt wurden. Außerdem log er sie an, indem er sie informierte, dass es keine weitere Korrespondenz für diese Adresse gäbe und alle Briefe ordnungsgemäß ausgeliefert worden seien.

Genésio war es wieder einmal gelungen, sie zu täuschen.
    Einen Monat später, nachdem Mama ihn immer wieder nach Briefen mit Nachrichten von Tim ausgefragt hatte, bat er eine Prostituierte im Fiore, einen Brief im Namen einer angeblichen Fazenda-Angestellten zu schreiben, von dem er Abschriften an Tante Geórgia, Terezas Vetter und Dr. Afonso schickte. Der Text informierte in knappen Worten, dass Mama sich in einen der Angestellten verliebt hätte.
    »Sie hat ihr Haus verkauft und ist mit ihm über alle Berge, ohne zu sagen, wohin«, stand in dem Brief, der mit Ausdrücken des Bedauerns und den besten Wünschen für die Zukunft der drei Empfänger abschloss.
    Aber der härteste Schlag, den Genésio ihr versetzte, sollte noch kommen.
    In Madrigal hatte sich einiges verändert. Der Coronel kaufte Ländereien und Vieh und veruntreute Geld aus öffentlichen Mitteln. Genésio hatte Mama unter Kontrolle, obwohl er so tat, als ließe er sich von ihr kontrollieren. Mama hatte eine unstillbare Sehnsucht nach ihren Söhnen und verstand nicht, warum sie keine Nachrichten mehr von ihnen erhielt. Die Waffenhändler kauften weiterhin in Nacht- und Nebelaktionen Waffen bei Genésio.
    Gegen Ende des Jahres lag Mama zusammen mit Esperanza, Nereu und Dianna auf einer Matte am Flussufer. Dasselbe Ufer, wo sie damals in Kälte und Einsamkeit eingeschlafen war, wo sie gesehen hatte, wie das Floß mit Kalugas Leiche in Flammen aufging und wo sie – bittere Ironie – so schöne Augenblicke mit ihm verlebt hatte.
    Sie lauschten dem Wasser und schauten zu den Sternen, die in aller Pracht am Himmel funkelten. Sie sprachen über ihre Leben, ihre Kindheit, ihre

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