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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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konnte sie ruhig sein, die Ungeduld verzehrte sie. Währenddessen plätscherte Karl Bretzner in zielloser Konfusion, einmal berauscht bis zur Raserei, dann wieder ausgeblutet, bemüht, seine musikalischen Verpflichtungen zu erfüllen, aber er verschlechterte sich unüberhörbar, und die Kritiker, unbarmherzig, wie sie sind, sagten, Mozart drehe sich im Grabe herum, wenn er höre, wie der Wiener Tenor seine Musik behandle oder besser verschandle.
    Die Liebenden sahen in panischer Angst den Augenblick der Trennung und eine erste Gefährdung ihrer Liebe herannahen. Sie redeten hin und her, wollten nach Brasilien fliehen, wollten gemeinsam Selbstmord begehen, aber nie erwähnten sie die Möglichkeit einer Heirat. Schließlich war das Verlangen zu leben stärker als die Verlockung des Liebestodes, und nach der letzten Vorstellung nahmen sie eine Kutsche und fuhren in den Norden Englands, um in einem ländlichen Gasthaus Urlaub zu machen. Sie hatten beschlossen, diese Tage in der Anonymität zu genießen, bevor Karl nach Italien abreiste, wo er weiteren Verpflichtungen nachkommen mußte. Rose würde mit ihm in Wien wieder zusammentreffen, wenn er eine passende Wohnung gefunden, seine Angelegenheiten geordnet und ihr Geld für die Reise geschickt hätte.
    Sie waren beim Frühstück unter einem Vordach auf dem Balkon des kleinen Gasthauses, die Beine unter einer Wolldecke, denn die Luft an der Küste war schneidend kalt, als Jeremy Sommers über sie hereinbrach, entrüstet und feierlich wie ein Prophet. Rose hatte so viele Spuren hinterlassen, daß es für ihren älteren Bruder ein leichtes gewesen war, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen und ihr in dieses abgelegene Seebad zu folgen. Als sie ihn sah, stieß sie einen Schrei eher der Überraschung als des Schreckens aus, denn die Liebe machte sie mutig. In diesem Augenblick ging ihr zum erstenmal auf, was sie getan hatte, und sie begriff, daß erhebliche Konsequenzen auf sie zukamen. Sie sprang auf, entschlossen, ihr Recht auf ein Leben nach ihrem Belieben zu verteidigen, aber ihr Bruder ließ sie nicht zu Worte kommen und wandte sich direkt an den Tenor.
    »Sie schulden meiner Schwester eine Erklärung. Ich vermute, Sie haben ihr nicht gesagt, daß Sie verheiratet sind und zwei Kinder haben«, herrschte er den Verführer an.
    Das war das einzige, was Karl Bretzner Rose zu erzählen unterlassen hatte. Sie hatten geredet bis zur Übersättigung, er hatte ihr bis in die intimsten Einzelheiten alles über seine früheren Amouren anvertraut, ohne die Extra– vaganzen des Marquis de Sade zu vergessen, die ihm seine Mentorin, die Französin mit den Tigeraugen, erzählt hatte, denn Rose zeigte eine unbändige Neugier und wollte alles wissen - wann mit wem und vor allem wie er geliebt hatte, von seinem zehnten Lebensjahr an bis einen Tag bevor er sie kennenlernte. Und er sagte ihr alles ohne Skrupel, als er gewahr wurde, wie gern sie es hörte und wie sie es in die eigene Theorie und Praxis einbezog. Aber von der Ehefrau und den Kindern hatte er kein Wort verloren - aus Mitgefühl mit dieser schönen Jungfrau, die sich ihm bedingungslos dargeboten hatte. Er hatte den Zauber dieser Begegnung nicht zerstören wollen: Rose Sommers verdiente es, ihre erste Liebe voll zu genießen.
    »Sie schulden mir Genugtuung«, sagte Jeremy Sommers herausfordernd und schlug ihm den Handschuh ins Gesicht.
    Karl Bretzner war ein Mann von Welt und würde nicht die Barbarei begehen, sich zu duellieren. Er begriff, daß der Augenblick gekommen war, sich zurückzuziehen, und es schmerzte ihn, daß er nicht ein paar Minuten allein mit Rose sprechen und versuchen konnte, ihr die Dinge zu erklären. Er wollte sie nicht so verlassen, mit gebrochenem Herzen und dem Gedanken, er hätte sie gewissenlos verführt, um sie danach zu verlassen. Er mußte ihr unbedingt noch einmal sagen, wie sehr er sie wirklich liebte, und es tat ihm bitter leid, daß er nicht frei war, um ihrer beider Träume zu erfüllen, aber er las in Jeremy Sommers’ Gesicht, daß der es ihm nicht erlauben würde. Jeremy nahm seine Schwester, die wie betäubt aussah, beim Arm und führte sie mit festem Griff zur Kutsche, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, von ihrem Liebhaber Abschied zu nehmen oder ihr bißchen Gepäck zu holen. Er brachte sie in das Haus einer Tante in Schottland, wo sie bleiben sollte, bis Klarheit über ihren Zustand herrschte. Wenn das schlimmste Unheil, wie er die Schwangerschaft nannte, wahr werden sollte, wären

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