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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Messern. Der Frühling und dann der Sommer sänftigten ein wenig den schlechten Eindruck, den sie von dem fremden Land bekommen hatte. Sie entschied sich, London zu vergessen und das Beste aus ihrer neuen Situation zu machen, trotz der provinziellen Umgebung und des Seewindes, der sie bis auf die Knochen durchdrang selbst an sonnigen Mittagen. Sie überzeugte ihren Bruder - und der das Kontor - von der Notwendigkeit, ein anständiges Haus auf den Namen der Firma zu erwerben und Möbel aus London kommen zu lassen. Sie stellte es als eine Frage der Autorität und des Prestiges dar: es gehe wirklich nicht an, daß der Repräsentant einer so bedeutenden Firma in einem so erbärmlichen Hotel untergebracht sei. Achtzehn Monate später, als die kleine Eliza in ihrem Leben auftauchte, lebten die Geschwister in dem großen Haus auf dem Cerro Alegre, Miss Rose hatte den verflossenen Geliebten in ein Fach ihres Gedächtnisses verbannt und ging ganz darin auf, einen Vorzugsplatz in der Gesellschaft zu erobern. In den folgenden Jahren wuchs Valparaíso und modernisierte sich mit der gleichen Schnelligkeit, mit der Rose die Vergangenheit hinter sich ließ und sich in die hinreißende und anscheinend glückliche Frau verwandelte, die elf Jahre später Jacob Todd erobern sollte. Der falsche Missionar war nicht der erste, den sie abwies, sie war einfach nicht daran interessiert, zu heiraten. Sie hatte eine ungewöhnliche Lösung gefunden, wie sie in ihrem amour fou mit Karl Bretzner verbleiben konnte: indem sie jeden einzelnen Augenblick ihrer feurigen Leidenschaft wieder aufleben ließ und manchen anderen in der Stille ihrer einsamen Nächte erfundenen Taumel.

Die Liebe
    Niemand konnte besser wissen als Miss Rose, was in Elizas liebeskranker Seele vor sich ging. Sie erriet sofort, um welchen Mann es ging, nur ein Blinder konnte die Verbindung zwischen den Fieberkrämpfen des Mädchens und dem Angestellten ihres Bruders übersehen, der die Schatzkisten für Feliciano Rodríguez de Santa Cruz bei ihnen abgeliefert hatte. Im ersten Impuls wollte sie den Jungen als unbedeutenden armen Schlucker abtun, aber sehr schnell erinnerte sie sich, daß auch sie seine gefährliche Anziehungskraft verspürt hatte. Gewiß, sie hatte als erstes auf seinen geflickten Anzug und seine unheimliche Blässe geachtet, aber ein zweiter Blick genügte, um die in ihm brennende leidenschaftliche Unbedingtheit zu erkennen. Während sie im Nähstübchen saß und wütend auf ihre Stickerei einstach, grübelte sie erbittert über diese Ohrfeige des Schicksals, die ihre Pläne, für Eliza einen netten, vermögenden Mann zu finden, einfach zerschlug. In ihren Gedanken lief eine ganze Kette von Intrigen ab, um diese Liebe zu vernichten, noch ehe sie begonnen hatte, von der Möglichkeit, Eliza nach England in ein Internat für junge Mädchen oder nach Schottland zu ihrer alten Tante zu schicken, bis zu dem Einfall, ihrem Bruder die Wahrheit hinzuknallen, damit er seinen Angestellten vor die Tür setzte.
    Dennoch, im Grunde ihres Herzens keimte ganz gegen ihren Willen der heimliche Wunsch, Eliza würde ihre Leidenschaft ausleben, bis sie sie voll ausgeschöpft hatte, um die ungeheure Leere wettzumachen, die vor achtzehn Jahren der Tenor in ihrem eigenen Leben hinterlassen hatte.
    Inzwischen schlichen für Eliza die Stunden mit erdrückender Langsamkeit, während in ihrem Herzen wirre Gefühle tobten. Sie wußte nicht, ob es Tag, ob es Nacht war, ob Dienstag oder Freitag, ob ein paar Stunden vergangen waren oder Jahre, seit sie diesen jungen Mann kennengelernt hatte. Manchmal war ihr, als würde ihr Blut plötzlich zu Schaum und als bedeckte ihre Haut sich mit Pusteln - Empfindungen, die ebenso schnell und unerklärlich wieder verschwanden, wie sie gekommen waren. Sie sah den Geliebten überall: in dunklen Winkeln, in den Formen der Wolken, in der Tasse Tee und vor allem im Traum. Sie wußte nicht, wie er hieß, und getraute sich nicht, Jeremy Sommers danach zu fragen, weil sie fürchtete, befremdetes Stirnrunzeln zu ernten, aber sie unterhielt sich stundenlang damit, sich einen Namen auszudenken, der zu ihm passen würde.
    Sie brauchte verzweifelt einen Menschen, mit dem sie über ihre Liebe sprechen konnte, jede Einzelheit seines kurzen Besuches zerpflücken, bereden und überlegen, was sie verschwiegen hatten, was sie sich hätten sagen müssen und was sie sich mit Blicken und Erröten gesagt hatten und über Absichten nachdenken, aber da war niemand, dem sie

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