Fortunas Tochter
beheben, als vielmehr die Harmonie aufrechtzuerhalten. »Du mußt deine Nahrung auswählen, dein Bett aufstellen und deine Meditation halten nach der Jahreszeit und der Richtung des Windes. So wirst du immer im Einklang mit dem Universum sein«, belehrte ihn der Meister.
Der zhong yi war zufrieden mit seinem Schicksal, wenn auch das Fehlen von Nachkommen wie ein Schatten auf der heiteren Gelassenheit seines Geistes lag. Er hatte keine Kinder gehabt trotz der Wunderkräuter, die er ein ganzes Leben lang regelmäßig eingenommen hatte, um das Blut zu reinigen und das Glied zu stärken, und trotz der Tränke und Mittel, die er seinen beiden jung verstorbenen Ehe– frauen ebenso verabfolgt hatte wie den zahlreichen Kon– kubinen, die ihnen folgten. Er hatte demütig hinnehmen müssen, daß nicht diese selbstlosen Frauen schuld waren, sondern die Trägheit seiner Samenflüssigkeit. Keines der fruchtbarkeitsfördernden Mittel, mit denen er andern helfen konnte, hatte bei ihm angeschlagen, und schließlich hatte er sich in die unleugbare Tatsache gefügt, daß seine Lenden trocken waren.
Er plagte die Frauen nicht mehr mit nutzlosen Forderun– gen, er hatte sie ausgiebig genossen, nach den Geboten der schönen Kopfkissenbücher aus seiner Sammlung.
Inzwischen aber war er alt geworden, Vergnügungen dieser Art lagen ihm seit langem fern, es fesselte ihn mehr, neue Kenntnisse zu erlangen und den schmalen Weg der Weisheit zu erforschen, er hatte auch eine Konkubine nach der anderen fortgeschickt, weil ihre Gegenwart ihn bei seinen geistigen Bemühungen störte. Er brauchte kein Mädchen vor sich zu haben, um es in feinziselierten Versen zu beschreiben, ihm genügte die Erinnerung. Wenn er keine eigenen Kinder haben konnte, so mußte er sich doch um die Zukunft Gedanken machen. Wer würde ihm auf der letzten Wegstrecke und in der Stunde seines Todes beistehen? Wer würde seine Grabstätte reinigen und sein Andenken verehren? Er hatte schon vorher Schüler gehabt und bei jedem den heimlichen Wunsch genährt, ihn zu adoptieren, aber keiner war der Ehre würdig gewesen. Tao Chi’en war weder klüger noch einfühlsamer als die andern, aber er trug in sich eine Lernbesessenheit, die der Meister sofort erkannte, denn sie glich seiner eigenen. Außerdem war er ein freundliches, lustiges Kind, das liebzugewinnen leichtfiel. In den Jahren des Zusammen– lebens hatte er ihn so sehr schätzen gelernt, daß er sich oft fragte, wie es nur sein konnte, daß er kein Sohn aus seinem Blute war.
Dennoch machte die Zuneigung zu seinem Schüler ihn nicht blind, seiner Erfahrung nach reichten die Verän– derungen in der Reifezeit sehr tief, und er konnte nicht vorhersagen, was für ein Mann er sein würde. Wie das chinesische Sprichwort sagt: »Helles Köpfchen in der Kindheit schützt nicht vor spätrer Dumm und Blindheit.«
Er fürchtete, sich erneut zu irren, wie es ihm schon früher geschehen war, und er wollte lieber geduldig abwarten, bis die wahre Natur des Jungen zutage trat. Inzwischen würde er ihn erziehen, wie er die jungen Bäume in seinem Garten zog, um ihm zu helfen, gerade zu wachsen. Wenigstens denkt dieser schnell, dachte der alte Arzt und schätzte ab, wie viele Lebensjahre ihm noch blieben. Den Sternzeichen zufolge und dem, was die sorgfältige Beobachtung seines Körpers ihm sagte, würde er nicht die Zeit haben, einen weiteren Schüler anzulernen.
Tao Chi’en verstand sich bald darauf, auf dem Markt und in den Läden - tüchtig feilschend, wie es sich gehörte - die nötigen Substanzen auszuwählen und die Heilmittel ohne Hilfe zuzubereiten. Er hatte dem Arzt lange genug bei der Arbeit zugesehen und kannte inzwischen die verwickelten Wirkweisen des menschlichen Körpers, wußte, wie man die Fiebernden erfrischt und hitzige Temperamente abkühlt, wie man die an vorzeitiger Todes– kälte Leidenden wärmt, wie man bei den Unfruchtbaren die Säfte in Bewegung bringt und wie man Ausflüsse oder Blutungen stillt. Er unternahm lange Ausflüge über Land und sammelte zum Zeitpunkt ihrer höchsten Wirksamkeit allerlei Pflanzen, die er in feuchte Tücher hüllte, damit sie auf dem Rückweg in die Stadt frisch blieben. Als er vierzehn wurde, hielt sein Lehrer ihn für reif genug, selbst zu praktizieren, und beauftragte ihn unverzüglich, Prostituierte zu betreuen, mit dem nachdrücklichen Gebot, sich jeden Verkehrs mit ihnen zu enthalten, denn Tao Chi’en werde selbst feststellen, wenn er sie untersuchte, daß sie den
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