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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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konnte. Später, wenn er heiratete, würde er eine angemessene Wohnung suchen, wo er seine Arzneien zubereiten, seine Patienten behandeln und sich von seiner Frau in gebührender Form bedienen lassen konnte. Im Augenblick, während er sich um ein paar für seine Arbeit wichtige Bekanntschaften bemühen mußte, bot dieser Raum ihm wenigstens ein Dach und ein bißchen Fürsichsein. Er ließ seine Sachen zurück und ging, sich ein gutes Bad zu gönnen, sich die Stirn bis zum Hinterkopf rasieren und den Zopf neu flechten zu lassen. Kaum war er anständig hergerichtet, machte er sich sofort auf die Suche nach einem Spielhaus, denn er war entschlossen, sein schmales Kapital in der kürzestmöglichen Zeit zu verdoppeln und damit den Weg zum Erfolg zu beschreiten.
    In weniger als zwei Stunden hatte er beim fan tan alles Geld verloren und behielt nur deshalb seine ärztlichen Instrumente, weil er sie nicht mitgenommen hatte. Das Geschrei in dem Spielsaal war so ohrenbetäubend, daß die Wetten nur mit Zeichen signalisiert werden konnten, und das durch dicken Tabaksqualm hindurch. Das fan tan war sehr simpel, es gehörte weiter nichts dazu als eine Handvoll Knöpfe und ein Becher. Die Wetten wurden gemacht, die Knöpfe wurden zu je vier auf einmal gezählt, und wer erriet, wie viele übrigblieben, einer, zwei, drei oder keiner, hatte gewonnen. Tao Chi’en konnte kaum den Händen des Mannes folgen, der die Knöpfe warf und zählte. Ihm schien, da war Schwindel im Spiel, aber den Kerl öffentlich zu beschuldigen wäre eine so ungeheure Beleidigung gewesen, daß er sie, falls er sich irrte, vielleicht mit dem Leben bezahlen mußte.
    In Kanton wurden im Umkreis der Spielhäuser täglich die Leichen von vorwitzigen Verlierern eingesammelt, das würde in Hongkong nicht viel anders sein. Er kehrte in seinen Dachbodentunnel zurück, warf sich auf seine Matte, weinte wie ein Kind und dachte an die Rutenschläge, die sein alter Meister ihm verabfolgt hatte. Die Verzweiflung dauerte an bis zum folgenden Tag, als er mit blendender Klarheit seine Ungeduld und seinen Hochmut erkannte. Da lachte er lange und herzlich über die Lektion und war überzeugt, daß der mutwillige Geist seines Meisters sich eingemischt hatte, um ihm noch einmal eine Lehre zu erteilen. Er war in tiefer Dunkelheit von dem Krach im Haus und auf der Straße aufgewacht. Draußen war heller Vormittag, aber kein natürliches Licht drang in sein elendes Gelaß. Tastend zog er die einzige saubere Wäsche an, die er zum Wechseln mitgenommen hatte, und lachte dabei immer noch vor sich hin, nahm seine Arzttasche und machte sich auf zum Markt. In dem Teil, wo sich die engen Verschläge der Tätowierer aneinanderreihten, von oben bis unten behängt mit Skizzen auf Lappen und Zetteln, konnte man unter Tausenden Zeichnungen wählen, von zarten Blumen in blauer Tusche bis zu phantastischen Drachen in fünf Farben, die mit ihren ausgebreiteten Flügeln und ihrem Feueratem den ganzen Rücken eines kräftigen Mannes zieren konnten. Eine halbe Stunde brachte er mit Feilschen zu, und schließlich einigte er sich mit einem Künstler, der dringend wünschte, eine bescheidene Tätowierung gegen ein Tonikum zum Reinigen der Leber zu tauschen. In weniger als fünf Minuten ritzte er ihm auf den Rücken der rechten Hand, der, mit der man wettet, in einfachen, eleganten Strichen das Schriftzeichen bu - nein.
    »Wenn Ihnen der Sirup gut bekommt, empfehlen Sie meine Dienste Ihren Freunden«, bat Tao Chi’en ihn.
    »Wenn Ihnen meine Tätowierung gut bekommt, tun Sie das gleiche«, antwortete der Künstler.
    Tao Chi’en behauptete immer, diese Tätowierung habe ihm Glück gebracht. Er trat aus dem Laden in das Marktgewimmel und bahnte sich mit Püffen und Stößen einen Weg durch die engen, von Menschheit verstopften Gassen. Er sah nicht einen einzigen Ausländer, und der Markt glich aufs Haar dem in Kanton. Der Lärm toste wie ein Wasserfall, die Händler priesen die fabelhafte Güte ihrer Waren an, und die Kunden feilschten mit lautem Geschrei mitten in dem markerschütternden Gekreisch der Vögel in den Käfigen und dem Heulen der Tiere, die auf das Messer warteten. So dicht war der Gestank nach Schweiß, lebenden und toten Tieren, Kot und Unrat, Gewürzen, Opium, Garküchen und jeder Art von Erzeugnissen und Geschöpfen der Erde, des Wassers und der Luft, daß man glaubte, ihn mit den Händen berühren zu können. Er sah eine Frau, die Krebse anbot. Sie zog sie lebend aus einem Sack, kochte

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