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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Für den Beistand von sechstausend englischen Soldaten, von denen wohl allein schon dreitausend Le Havre besetzt halten werden! Und eine Beihilfe von hunderttausend Kronen! Eine lächerliche Summe,wenn man bedenkt, was Elisabeth dafür erhält! Ein Stück von Frankreich, und nicht das schlechteste!«
    Nach diesen heftigen Worten trat eine längere Stille ein, und schließlich sprach Monsieur de L. mit ernster Stimme:
    »Obwohl ich zugegen war, habe ich an den Verhandlungen von Hampton Court nicht teilgenommen. Ich gebe zu, daß die harte Zwangslage, in welcher wir uns befanden, der englischen Königin ermöglicht hat, uns zu übervorteilen; daß wir uns auf sehr ärgerliche Verpflichtungen eingelassen und also ein sehr schlechtes Geschäft gemacht haben. Aber schließlich ist ein Vertrag nur ein Vertrag … Condé und Coligny kämpfen einen Kampf auf Leben und Tod. Wollet Ihr ihnen da Eure Hilfe verweigern, wo es doch um nichts Geringeres geht als das Überleben der wahren Religion im französischen Königreich?«
    Mein Vater erhob sich und ging mit bedrücktem Gesicht, die Hände auf dem Rücken, einige Schritte im Zimmer auf und ab, indes Sauveterre und ebenso seine Söhne ihn voller Beklemmung anschauten. Denn wir befürchteten, er könne einer solch eindringlichen Aufforderung nicht widerstehen, und sahen ihn schon Mespech in Wehr und Waffen verlassen, um sich in einem ungewissen Krieg, der in seinen Augen nicht rechtens war, Condé und Coligny anzuschließen.
    »Monsieur«, sprach Jean de Siorac schließlich mit einiger Gefaßtheit, nachdem er sich wieder gesetzt, »wenn ich nein sage, werde ich mich sehr unglücklich fühlen, weil ich dann den Eindruck habe, mich durch mein Tun, wenn auch nicht in meinem Herzen, von unserer Sache loszusagen. Sage ich ja, werde ich ebenso unglücklich sein, denn ich muß dann die Waffen gegen meine Nation und meinen König erheben. Und doch«, so fügte er mit erstickter Stimme an, »werde ich das erstere wählen. Ich werde mich dem Prinzen von Condé nicht anschließen. Nein, Monsieur, wollet jetzt bitte nicht versuchen, mich umzustimmen. Alle Argumente, die Ihr ins Feld führen könnt, habe ich schon hundertmal bedacht und erwogen.«
    Unendlich erleichtert blickte ich Samson an, und wiewohl François, unbeweglich wie ein Bildwerk, den Kopf nicht wendete, schien sich auch ihm ein Seufzer zu entringen. Monsieur de L. bedrängte meinen Vater in diesem Punkt nicht weiter, sondern erging sich in einer gar langen Rede, worinnen er seine Gastgeber ersuchte, einen Geldbeitrag zum Unterhalt der Truppenzu leisten, welche Duras in Gourdon zusammenzog. Die Herren Brüder begaben sich in ein kleines Kabinett neben der Bibliothek, wo sie sich einige Minuten über dieses Ersuchen berieten, und kamen mit einer Summe von tausend Dukaten zurück – ein Opfer, dessen Größe ermessen wird, wer die Brüder kannte. Monsieur de L. nahm die Dukaten ohne sonderliches Erstaunen entgegen und zählte sie, als wären es ein paar Heller. Dann schrieb er in weitschweifigem Stil eine eindrucksvolle Empfangsbescheinigung im Namen des Prinzen von Condé aus. Hernach bat er darum, man möge seine Eskorte rufen, und verließ uns unter tausend Komplimenten.
    In den folgenden Tagen fiel mein Vater einer trüben Stimmung anheim, so sehr war er zerrissen zwischen seiner Treue zur wahren Religion und der Treue zu seinem König oder – wie er sagte – »zu seiner Nation«. Erst viel später erfuhr ich, daß auch Condé und noch mehr Coligny die gleiche Zerrissenheit durchlebt hatten. Sie entschieden sich anders, und ich maße mir hier kein Urteil über sie an. Für meinen Vater war der Verzicht auf Calais ausschlaggebend dafür, daß er sich so entschied, wie er es tat, nicht ohne eine innerliche Wunde davonzutragen, welche sich lange nicht schließen wollte. Jahre später hörte ich Jean de Sauveterre sagen: Wer in die Lage gerät, zwischen zwei sich widersprechenden Pflichten wählen zu müssen, wird sich – wie immer seine Entscheidung ausfällt – »hin terher stets im Unrecht fühlen«.
     
    Eine Woche nach dem kurzen Besuch von Monsieur de L. auf Mespech gebar meine Mutter ein Kind, das tot zur Welt kam, und ward sogleich von einem heftigen alltägigen Fieber erfaßt. Mein Vater wich nicht von ihrem Bett, schlief des Nachts in dem kleinen Kabinett, darin Feuerzange genächtigt hatte, und ließ sich seine Mahlzeiten in das Gemach seiner Frau bringen. Obgleich er nicht mehr in den Burgsaal kam, wußte ich,

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