Fortune de France: Roman (German Edition)
Erde gebracht war, erschien mein Vater wieder im Lichte des Tages, mit seinen geschwollenen roten Augen blinzelnd und von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, welche Farbe er bis an sein Lebensende nicht wieder ablegte. Er stürzte sich sogleich mit aller Kraft in die Arbeit, und daran mangelte es gewiß nicht.
Die Brüder hatten nämlich begonnen, wie ich bereits vermeldet, die Palisade rings um unseren Weiher mit einer hohen Mauer zu umgeben, oben mit einem Zinnenkranz und einem Wehrgang versehen. Diese kreisförmige zweite Burgmauer nahm ihren Anfang an einem bereits fertiggestellten Torhaus, einem mächtigen viereckigen Turm aus unbehauenem Stein; er hatte zwei Obergeschosse mit Pechnasen über dem zweiflügeligen Eingangstor, welches den Gewölbegang sicherte, der durch den Turm führte. Sollten die möglichen Angreifer mit ihren Sprengbüchsen das Tor aufbrechen, sahen sie sich am anderen Ende des Gewölbeganges einem eisernen Fallgatter gegenüber; selbiges konnten sie zwar mit Rammbalken berennen, würden sich dabei aber in der Enge des Ganges dem Feuer aus den beidseitig eingelassenen Schießscharten aussetzen wie auch dem Steinhagel, der aus den Falltüren auf sie niedergehen würde.
Die Fußangeln, welche bisher rings um den Weiher hinter der Umzäunung ausgelegt waren – nicht ungefährlich, wenn Ochs oder Kuh außerhalb des Weges herumstreunten –, wurden jetzt allesamt in den ringförmigen Zwinger zwischen Palisade und Umfassungsmauer verlegt. Wer die Mauer überstieg, mußte also zwangsläufig hineingeraten und sich verletzen.
Dank Alazaïs fanden wir auch einen geeigneten Torwächter, Escorgol geheißen. Er war ihr Vetter und ähnelte ihr in seiner Leibesgröße; ansonsten unterschied er sich gar sehr von ihr durch sein lustiges Wesen und seine Lieder sowie durch eine außergewöhnliche Gabe. Er war fast blind gewesen in seinen jungen Jahren und hatte dann mit dreißig Jahren ohne Zutuneines Barbiers oder Medicus’ unversehens sein volles Augenlicht wiedererlangt, welches Wunder ihn fröhlich gemacht hatte und ihm die Fröhlichkeit bis ans Lebensende erhalten würde. Ein Mann, welcher dreißig Jahre in einem dunklen Schacht gelebt, müsse ganz einfach glücklich sein, so sagte er, wenn er endlich wieder ans Tageslicht gelangt.
Dem langen Aufenthalt in dunkler Nacht verdankte er neben seiner Fröhlichkeit noch eine für einen Torwächter sehr nützliche Eigenschaft, nämlich ein außergewöhnlich feines Gehör. Wenn er tags mit uns im Burgsaal saß, hörte er eine gute Minute vor den Hunden schon die Hufschläge eines Pferdes auf dem unbefestigten Wege nach Mespech.
Er hatte blitzende braune Augen, eine kleine Nase und einen genießerischen Mund, dazu ein leicht eingedrücktes rundes Gesicht, überwölbt von einem ebenfalls runden, völlig kahlen Schädel. Auf beiden Seiten dieses Mondgesichtes prangten große Ohren, die nach oben spitz zuliefen und deren untere Hälften heftig wackelten, wenn er lachte oder sprach, was gar oft geschah, denn er war lachlustig und schwatzhaft wie sonst keiner.
Wie viele Steine, behauen oder unbehauen, wurden nicht in dieser Zeit von unserem Steinbruch auf Le Breuil nach Mespech gekarrt! Und wie viele Steine schleppte ein jeder von uns, ob groß oder klein, ob Mann oder Frau, mit nackten wunden Händen! Denn alle taten dabei nach Kräften mit, ausgenommen Coulondre, der die Karren lenkte, und die Maligou, welche alle Hände voll zu tun hatte, die vielen hungrigen Mäuler zu stopfen, sowie auch Barberine, welche Jacquou in ihrem Arm und Annet an ihrem Rockzipfel hatte und außerdem das Kleine von Cathau umsorgen mußte, wenn Cathau auf dem Gerüst ihrem Manne wacker zur Hand ging.
An Händen fehlte es also nicht. Die Brüder hatten noch zwei Steinhauer zu Gedingelohn in Dienst genommen, denn Jonas, welcher oft als Maurer und Baumeister auf dem Bauplatz zu schaffen hatte, vermochte die Arbeit im Steinbruch nicht allein zu bewältigen.
Und nachdem dann die Weinlese und die Nußernte beendet, eilten noch all unsere Zinsbauern herbei, sich dem übrigen Gesinde hinzuzugesellen: Faujanet, Marsal Schielauge, die beiden Brüder Siorac, Alazaïs, die soviel schaffte wie zwei Männer,und die kleine Hélix, die nicht ein viertel Tagwerk eines einzigen schaffte, so sehr war sie damit beschäftigt, sich die Augen nach ihnen zu verdrehen. Auch die drei großen Knaben des Barons legten, wenn sie ihre Lectiones beendet, mit Hand an, ebenso der Baron selbst, sich seines Wamses
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