Fortune de France: Roman (German Edition)
gezeichneten Antlitz, das für einen unvergeßlichen Augenblick erhellt ward, indes sie mit einer sanften, feinen Stimme, als spräche sie schon aus einer anderen Welt, zu mir sagte:
»Lebe wohl, Jean.«
ACHTES KAPITEL
Isabelle ward begraben, wie sie es gewünscht, unter dem Chor der kleinen Burgkapelle von Mespech. In die Platte aus heimischem ockerfarbenem Stein, welche ihren Sarg deckte, hämmerte Jonas mit dem Meißel nach Maßgabe meines Vaters die folgende Inschrift ein:
ISABELLE, BARONIN VON SIORAC
1531–1562
Jonas wollte, daß die Inschrift dem Zahn der Zeit widerstehe, und so hörte man zwei lange Wochen hindurch, wo immer man sich auf Mespech befand und ein wenig lauschte, seine dumpfen Hammerschläge, unter denen die Grabinschrift Form annahm.
Jean de Siorac beschloß, die Kapelle so zu belassen, wie sie zu der Zeit gewesen, da meine Mutter darinnen die Messe hörte. So ward weder das Kreuz angerührt noch die Bilder noch der übrige Zierat und auch nicht das bemalte holzgeschnitzte Bildwerk der Jungfrau Maria. Er ließ nur ein Schloß in die Tür einsetzen und verwahrte den Schlüssel in seinem Kabinett. Unser reformierter Gottesdienst ward weiterhin, wie am ersten Tage, im großen Saal abgehalten.
Der Tod meiner Mutter quälte ein wenig mein Gewissen, denn mir schien, ich hätte mehr Trauer empfinden müssen, zumal ich jetzt wußte, daß ich ihr der liebste von ihren Söhnen gewesen. Doch ihr Stolz hatte nicht zugelassen, daß sie vertraulichen Umgang mit ihren Kindern pflegte, und wiewohl sie große Liebe zu ihnen empfand, war es eine so ferne Liebe, daß ich zu wenig Wärme gefühlt, als daß eine tiefere Zuneigung zu ihr in meinem Herzen gewachsen wäre.
Auf meiner Brust trug ich unter dem Wams getreulich ihre ketzerische Medaille, doch tat ich es allein um des geleisteten Schwures willen. Das Herz hätte es mir zerrissen, wenn ich Barberine auf immer verloren hätte. Aber sie war in unsereMitte zurückgekehrt, uns Kinder von neuem mit zärtlichen Blicken, sanften Liebkosungen und den allabendlich geflüsterten Kosenamen bedenkend. In ihren Armen trug sie ein neugeborenes Knäblein, Jacquou geheißen, welches mein Vater aufzuziehen geschworen, da sie es nur deshalb empfangen hatte, um Isabelles Kind nähren zu können. Zudem hing ihr noch Annet am Rockzipfel, welcher zwar schon größer war, den sie aber gemäß dem allgemeinen Brauch noch immer an der Brust nährte.
Von Barberines Rückkehr abgesehen, hatte es nach dem Tode von Isabelle keine weiteren Veränderungen im Hauswesen von Mespech gegeben. Alazaïs ward zwar nicht mehr als Kammerjungfer gebraucht, doch konnte sich diese standhafte Hugenottin so seltener Tugenden rühmen, daß die Herren Brüder sie in ihrem Dienst behielten, damit sie mit Hand anlege bei den Arbeiten im Haus und auf den Feldern sowie auch gegebenenfalls bei der Verteidigung: die kräftige Jungfer stand einem Soldaten in nichts nach, nachdem sie in kurzer Zeit den Umgang mit Pike und Arkebuse erlernt hatte.
Eines Tages verstummten endlich zu unserer großen Erleichterung die dumpfen Hammerschläge. Jonas kam gebeugt und staubbedeckt aus der Kapelle und ließ meinen Vater bitten, er möge nun seine Inschrift begutachten.
»Es ist eine treffliche Arbeit, Jonas«, sprach Jean de Siorac, »aber warum hast du die Lettern so tief eingemeißelt?«
»Der Stein ist zwar schön, doch zu weich. Aus dieser Ursache nutzt er sich schnell ab.«
Mein Vater seufzte tief.
»So hast du also dein Bestes getan, damit das Andenken an Isabelle de Siorac nicht vergehe auf dieser Erde. Doch dies war vergebliche Mühe, mein armer Jonas. In einigen hundert Jahren werden so viele Füße über diese Platte geschritten sein, daß nichts mehr zu sehen sein wird von deiner schönen Inschrift. Und nichts wird dann hienieden noch an Isabelle erinnern, auch kein Name mehr.«
Hierauf wußte Jonas im Augenblick nichts zu erwidern, doch eine Zeit später sprach er auf Le Breuil zu Cabusse:
»Auf jeden Fall, Cabusse, wird meine Inschrift in zweihundert Jahren noch zu sehen sein. Und wenn sie dann einer liest, der nichts von Isabelle de Siorac weiß, wird er sich vielleichtsagen: ›Einunddreißig Jahre. Wie jung ist die Ärmste gestorben!‹ Und Mitleid wird sich in ihm regen. Dann war meine Mühe nicht umsonst, und das wird mich glücklich machen.«
»Aber wo wirst du dann sein?« fragte Cabusse.
»Wo ich auch immer sein mag, es wird mich glücklich machen.«
Nachdem Isabelle in die
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